Low Cost DIY Photometer zur Weinanalyse

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Low Cost DIY Photometer zur Weinanalyse

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Ein Projekt, ein Projekt...

Ja, also, wie soll ich anfangen? Eigentlich wollte ich alles am Stück tippen wenn das Ding fertig ist und läuft. Leider ergaben sich diverse Verzögerungen, schlicht weil ich einiges Nachbessern muss. Wenn ich schon etwas mache, dann soll es auch vernünftig werden ;) Das bedeutet auch, dass meine Ergüsse hier länger werden müssen als ursprünglich gedacht, und so habe ich beschlossen, mein Vorgehen und meine Gedanken klar zu strukturieren und entsprechend häppchenweise darzustellen. Solange das Ding nicht fertig und auf Funktion getestet ist werde ich den Trööt sperren, erst danach werde ich ihn für Diskussionen öffnen. Und wenn das Ding am Ende nichts taugt habe ich euch hoffentlich wenigstens etwas unterhalten haben

Worum geht es überhaupt? Die Kurzfassung
Ich arbeite an einem einfachen und günstigen DIY-Spektroskop (aka Photometer) zur Bestimmung von Weinfarbe und Farbton gemäß der Glories-Methode. Damit kann ferner die Extraktion von Farbstoffen bei der Weinbereitung verfolgt werden, aber auch die Fruchtreife kann bestimmt werden. Mir geht es vor allem darum, Farbveränderungen im gelagerten Wein durch Alterungsprozesse zu verfolgen. Zur Veranschaulichung habe ich ein schematische Zeichnung des geplanten Messgeräts gemacht: Es nutzt den Umgebungslichtsensor eines Smartphones, Teile aus dem 3D-Drucker sowie verschiedenfarbige LEDs.

Bild

Man benötigt also: Ein Smartphone mit spezieller App, ein paar Teile aus dem 3D-Drucker (ein Grund warum ich mir einen gegönnt habe), einen Filzgleiter, ein paar Probenbehälter/Küvetten und ein paar ausgewählte LEDs. Klingt einfach. Wären da nicht die garstigen Details :mrgreen:

Background und Historie
In Rahmen des Schlehenversuchs hatte ich Proben der Schlehenansätze mit einem Photometer vermessen um Farbintensität und Farbton zu bestimmen; das erlaubt auch Rückschlüsse auf Alterungsprozesse. Angewandt hatte ich die Methoden nach Glories und Sudraud, die Originalveröffentlichungen sind auf französisch, sodass ich nur Bahnhof verstehe. Einen netten englischsprachigen Übersichtsartikel gibt es hier:
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epd ... .tb00269.x

Und hier gibt es eine interessante Präsentation zum Thema:
https://www.shimadzu.eu/sites/shimadzu. ... lor_uv.pdf

Ein Messinstrument um die Färbung von Weinen zu messen und um Alterungsprozesse zu verfolgen: Das finde ich schick und interessant, das ich damit liebäugle hatte ich ja auch schon in dem Schlehen-Trööt angedeutet. Wenn man eine Flasche Wein aufmacht und verkostet könnte man damit ganz schmerzlos eine schnelle Messung durchführen, um den subjektiven Geschmack und objektive Hinweise auf Alterungsprozesse zusammenzubringen. Wenn man dann die Daten zu einem Wein über Monate oder Jahre hinaus sammelt könnte man sich so einen Datensatz erarbeiten. Das muss sicher nicht jeder zu Hause machen, aber ich finde die Idee spannend.

Photowattistdat? Sind wir hier bei Dingsda?
Was ist ein Photometer? Da stelle ma uns mal janz dumm... und ich verweise auf den Wikipedia-Artikel: https://de.wikipedia.org/wiki/UV/VIS-Spektroskopie Wir lernen: Der Begriff "Photometer" ist etwas unpräzise, die Bezeichnung "Spektrometer" ist besser. Im Laborjargon heißt es aber "Photometer", und dort ist das ein gängiges Messgerät zur Konzentrationsbestimmung von Lösungen. Photometer haben mich seit Dekaden begleitet.

Wie ist ein Photometer grundsätzlich aufgebaut? Das steht auch bei Wikipedia, hier kurz zusammengefasst: Man benötigt eine Lichtquelle die Licht einer definierten Wellenlänge liefert, einen Lichtstrahl der durch eine Probe mit definierter Schichtdicke geht, dahinter einen Lichtsensor. Und schließlich braucht man einen Rechenknecht, der aus der Differenz der Lichtabsorptionen zwischen Nullprobe (zum Beispiel Wasser) und Probe (zum Beispiel Wein) einen sinnvollen Messwert ausgibt. Dieser Wert ist ein Maß für die Lichtmenge, die durch die Probe geschluckt wurde. Ferner brauche ich "Küvetten", das sind spezielle Probenbehälter. Küvetten sind das geringste Problem, die habe ich mir bei ebay geschossen. Davon gibt es später noch Bilder.

Anforderungen an die Lichtquelle
Als Lichtquelle für monochromes (einfarbiges), sichtbares Licht wird oft eine Halogenbirne mit Filtern oder mit einem so genanntem Monochromator verwendet; letzterer "zerlegt" weißes Mischlicht in seine einzelnen Wellenlängen. Mit Filtern oder Monochromator kann ich dafür sorgen dass nur das Licht einer bestimmten Wellenlänge durch die Probe geleitet wird. Als beispielsweise das Licht mit einer Wellenlänge, das von den roten Farbstoffen im Wein absorbiert wird.

Beim Schlehenwein hatte ich bei drei verschiedenen Wellenlängen gemessen, und aus den drei Messwerten konnte ich die Farbintensität sowie den Farbton bestimmen; letzterer liefert Hinweise auf Alterungsprozesse. Schnell erklärt absorbieren die pflanzlichen Farbstoffe (Anthocyane) Licht bestimmter Wellenlängen, sonst wären sie für unser Auge nicht farbig ;) Je höher die Anthocyankonzentration, desto mehr Licht wird geschluckt; so kann ich die Farbintensität messen. Durch die chemischen Veränderungen im Laufe der Weinalterung verändert sich zudem der Wellenlängenbereich des absorbierten Lichts; das kennt jeder von oxidiertem Wein, der braun wird. Darauf erhalte ich Rückschluss wenn ich Messungen bei verschiedenen Wellenlängen durchführe.

Nun gehört ein professionelles Photometer, was schon mal ein paar k€ kosten kann, nicht unbedingt zur normalen Küchenausstattung (Anmerkung: Ich hätte eines vor dem Schrott retten können, aber das war ein uraltes, riesiges Ding, und meine Wohnung quillt jetzt schon über mit Weinkrams). Der Privat-Hobbywinzer braucht also etwas kleines, günstiges. Für meinen Zweck muss ich nicht bei jeder beliebigen Wellenlänge im sichtbaren Bereich messen können, ich benötige für die Weinmessung "nur" 420, 520 und 620 nm (blau, grün und rot). Diese Wellenlängen müssen aber halbwegs genau eingehalten werden. Nett wär zusätzlich noch eine optionale Messmöglichkeit bei 600 nm (orange), weil man bei dieser Wellenlänge üblicherweise Zelldichten misst. Mit dieser Messung könnte man beispielsweise das Wachstum von Hefekulturen verfolgen, was auch für Hobbybrauer interessant ist.

Was soll ich nur basteln?
DIY-Projekte zum Thema "Photometer" gibt es viele; die Ultima Ratio des Eigenbaus: Ein Photometer mit Gyro-bewegtem Prisma als Monochromator, sodass mit diesem Gerät bei jeder beliebigen Wellenlänge gearbeitet werden kann (https://www.instructables.com/Science-W ... hotometry/). Vorteil: Sexy bis supersexy. Nachteil: Kompliziert, ich bin mir nicht sicher ob mir die Dokumentation ausreichen würde, um das nachzubauen. Und ich brauche eine Lichtquelle die über das gesamte Spektrum hinweg Licht liefert. Da bietet sich eine Halogenlampe an, die entwickeln aber Wärme die abgeführt werden muss. Und irgendwie muss das Teil kalibriert werden damit ich wirklich die Wellenlänge durch die Probe jage die ich haben will. Und das Design müsste ich ändern: Runde Probenbehälter gehen gar nicht. Das nach- bzw. umzubauen habe ich recht schnell aufgegeben.

Dann habe ich mich für diese Variante erwärmt: https://www.haw-hamburg.de/hochschule/l ... hotometer/

Die Herrschaften basteln ein Photometer und steuern es per WLAN/Smartphone und lesen damit auch die Messwerte aus. Ich finde die Lösung grundsätzlich clever, und sie ist so gut dokumentiert das ich mir den Nachbau grundsätzlich zutraue (ich habe von Elektronik und vom Arduino nur sehr wenig Ahnung). Sie hat für mich aber praktische Nachteile: Das Gerät arbeitet mit jeweils einer LED als Lichtquelle (dreifarbige LEDs mit genau den von mir gewünschten Wellenlängen gibt es nicht). Heißt für mich: Will ich hintereinander bei drei Wellenlängen messen, so muss ich entweder die LED samt Vorwiderstand tauschen, das wäre jedes mal eine blöde Fummelei. Oder ich muss mir irgendeine Stecklösung einfallen lassen mit der ich das ganz schnell und sauber tauschen kann. Oder ich baue drei Geräte, die jeweils bei einer der gewünschten Wellenlängen arbeiten. Ich fürchte, die WLANs der drei Geräte könnten sich in die Quere kommen wenn ich sie parallel betreibe, und ich müsste mich mit dem Smartphone jedes mal bei einem anderen Photometer anmelden. Das könnte in der Praxis lästig werden, deshalb war diese Bastellösung für mein Projekt nicht allererste Wahl. Vielleicht versuche ich mich irgendwann mal daran, wenn mir die anderen Projekte ausgehen sollten...

Sollte es so einfach sein?
Nach weiterer Recherche bin ich dann auf diese unfassbar einfache Lösung gestoßen:

Paper: https://journals.plos.org/plosbiology/a ... =printable
Github: https://github.com/VascoRibeiroPereira/ ... photometer
Thingiverse: https://www.thingiverse.com/thing:3185420

Hier wird ein Smartphone nicht nur als Rechenknecht missbraucht; der Clou ist: Der Umgebungslichtsensor des Handys wird als Sensor vor der Probe genutzt. Dazu wird ein Küvettenhalter mit Klemme vor dem Sensor platziert. Als Lichtquelle dient eine Knopfzelle mit LED, der LED-Halter wird an den Küvettenhalter geklipst sodass ein Lichtstrahl durch die Küvette und auf den Sensor geleitet wird. Die beiden Halter kommen aus dem 3D-Drucker. So einfach, so schick, so charmant, so günstig (nur 5 Dollar Materialkosten)... wenn das funktioniert: Prima, das will ich testen, das ist der Plan.

Weiter geht es bei Gelegenheit mit Problemen und Problemlösungen.
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Re: Low Cost DIY Photometer zur Weinanalyse

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Weiter mit der Wall of text :? 8-)

Ich hatte mich also entschieden, das simple Smartphone-Photometer nachzubauen. Also ran und alles schnell bestellt was ich brauche... oder nicht so schnell?

Probleme und Problemlösungen

Problem 1:
Ich gehöre zu den exotischen Menschen die keinen 3D-Drucker hatten. Der Mann einer Kollegin hat mir freundlicherweise ausgeholfen und hat die ersten Exemplare der beiden Halter ausgedruckt.

Der erste Test war war allerdings ernüchternd: Der LED-Halter steckte recht wackelig auf dem Küvetten-Halter, was der Genauigkeit der Messung sicher nicht gut tut. Das war der erste Grund, am Originaldesign herumzubasteln. Meine Kenntnisse von 3D-Programmen sind bescheiden bis nicht vorhanden, aber der klägliche Rest meines gesunden Menschenverstands und der bei Kleinweich-Fensterln mitgelieferte 3D Builder reichten erst einmal aus, um das Design meinen Wünschen gemäß anzupassen. Auch um meine Prototypen zu testen habe ich mir schließlich selbst einen 3D-Drucker zugelegt.
Problem 1 = gelöst (und der 5$-Etat ist bereits deutlich ausgeschöpft)

Problem 2:
Da ich bei verschiedenen Wellenlängen messen will brauche ich verschiedene LED-Halter mit verschiedenen LEDs. Diese zu beschaffen erwies sich als kleines Problem, denn nicht alle Anbieter nennen die Wellenlängen ihrer LEDs. Eine ominäse Angabe wie "blau" oder "rot" ist nicht genau genug. Speziell die 420 nm erwiesen sich als problematisch, nach einiger Recherche habe ich alle LEDs bei PUR-LED bestellt, auch wenn ich von deren Versandkosten nicht entzückt war. Eine genaue Liste der von mir verwendeten LEDs findet ihr weiter unten.
Problem 2 = gelöst (und Etat weiter überschritten, alleine die Versandkosten für die LEDs waren unzeitgemäß hoch)

Problem 3:
Ich musste lernen das LEDs keine rein ohmschen Lasten sind und ich die verschiedenen LEDs nicht ohne weiteres an einer beliebigen Batterie betreiben kann oder sollte. Ich muss in die LED-Halter also passende Vorwiderstände einbauen. Diese LED-Halter werde ich mit einer USB-Powerbank mit 5V betreiben; theoretisch kann die LED auch über den Ausgang des Smartphones betrieben werden. Will ich die Wellenlänge ändern, so muss ich also am "Photometer" nur schnell den LED-Halter austauschen.
Mit dieser Entscheidung war der Knopfzellenhalter am originalen LED-Halter obsolet. Hier musste ich also weitere Änderungen am Orignaldesign vornehmen:
-Entfernen des Knopfzellenhalters
-Stopfen des nunmehr überflüssigen Lochs für ein LED-Beinchen
-Anbringung eines Kabelhalters, sodass das Kabel für die Stromversorgung mit Hilfe eines Kabelbinders fixiert werden kann.
-Prägen der jeweiligen Wellenlänge auf das Gehäuse
Problem 3 = gelöst (und viel Filament sinnlos verballert, die Kosten steigen weiter)

Anmerkung: Wenn technisch alles zur meiner Zufriedenheit läuft werde ich meine 3D-Dateien auf Thingiverse hochladen.

Das Material

Bild

So sah der Berg aus als ich glaubte, das ich alles Material zusammen habe. Auf dem Bild sind allerdings noch 3D-Teile zu sehen die letztlich in der Tonne landen werden.

Die Materialliste:
-USB Kabel auf DC Hohlstecker
-Buchse 12V DC Kabelstecker mit Anschlusskabel
-Vorwiderstand 81 Ohm (ebenfalls bestellt bei PUR-LED)
-Vorwiderstand 150 Ohm (aus einem Sortiment)

LEDs von pur-led.de:
LED 5mm rot klar Artikelnummer: 816510501 ca. 625nm, Betriebsspannung: 1,8 - 2,0 Volt

LED 3mm orange klar Artikelnummer: 6990301 ca. 605nm, Betriebsspannung: 1,9 - 2,1 Volt

LED 5mm grün klar Artikelnummer: 50501 ca. 520nm, Betriebsspannung: 3,2 - 3,4 Volt

LED 5mm UV klar Artikelnummer: 4140501 ca. 420nm, Betriebsspannung: 3,2 - 3,4 Volt

Ferner benötige ich Kleinkram wie Kabelbinder, Lötzinn und einen schwarzen Filzgleiter.

Für die Teile aus dem 3D-Drucker habe ich schwarzes PLA-Filament verwendet; schwarz deshalb weil es Licht absorbiert und weil somit die Gefahr von Messfehlern durch eindringendes Licht reduziert wird. Rechts die Teile die ich für den Prototyp verwenden will, links die "Fehldrucke" auf dem Weg zum finalen Entwurf:
Bild
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Re: Low Cost DIY Photometer zur Weinanalyse

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Erste Lötarbeiten
Irgendwie war das Wochenende mal wieder viel zu kurz. Heute wollte ich nur schnell etwas Lötzinn an die Käbelchen machen. Verdammt, ich bin darin nicht wirklich gut, und mein Uralt-Lötkolben ist Mist. Ich liebäugle schon lange mit einer Lötstation (die muss nicht gut sein, besser als das olle Ding reicht mir), und jetzt wäre der richtige Zeitpunkt... immer diese Kollateralkosten... Finanziell gesehen ist das so langsam mein persönliches BER-Projekt. Immerhin: Die kleine Löthilfe habe ich mir auch gedruckt.

Bild
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Re: Low Cost DIY Photometer zur Weinanalyse

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Die neue Lötstation ist da, aber ich hatte bis jetzt weder Zeit noch Energie, sie auszuprobieren. Aber ein bisserl was habe ich getan: Auf meinem Steckboard habe ich kurz getestet, ob die gewählten Vorwiderstände mit den LEDs harmonieren: Check!
Für die rote und orange LED habe 150 Ohm Widerstände verwendet, für die grüne und blaue 81 Ohm Widerstände. Rechnerisch hätte es gerne 160 bzw. 90 Ohm sein dürfen, aber es funzelt ja hübsch.

Bild

Man sieht sehr deutlich das die orangefarbene LED weniger Licht liefert. Wenn die Empfindlichkeit des Sensors hoch genug ist sollte das keine Rolle spielen; außerdem brauche ich die Messung bei 600 nm ja eh nicht für die Glories-Bestimmung. Ich bin also guter Dinge.
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Re: Low Cost DIY Photometer zur Weinanalyse

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Ich konnte mich noch nicht dazu durchringen, in direktem Kontakt mit einem Gerät zu arbeiten das Wäre erzeugt... sprich: Ich habe nicht gekocht und bin vom pausenlos laufenden 3D-Drucker schnell weggerannt. Auch die Lötarbeiten habe ich vermieden :mrgreen: Aber immerhin kann ich euch schon einmal die Küvetten vorstellen:

Bild

Heutzutage bekommt man in der Bucht ja alles :mrgreen: Die umweltfreundliche Styroporpackung fasst 100 Einwegküvetten aus Plastik. Deren Größe ist genormt, die passen sowohl in alle gängigen Photometer als auch in mein Bastelstück. Von einer Seite geht dann der Lichtstrahl durch die Küvette mit der Probe, dahinter sitzt der Sensor der misst wie viel Licht durchkommt.

Hier habe ich spaßhalber Weine in Küvetten gefüllt, die Küvetten stehen im DIY Küvettenständer aus dem 3D-Drucker 8-)
Bild

Für hochpräzise Messungen sollte man immer neue Küvetten verwenden, aber im Hobbybereich kann man die durchaus mit demineralisiertem Wasser spülen und wiederverwenden.
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Re: Low Cost DIY Photometer zur Weinanalyse

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Soderle, ich habe es lange liegen gelassen, aber heute musste ich einfach mal ran damit das Projekt weitergeht. Also die neue Lötstation ausgepackt und losgegt.

In den LED-Haltern ist Raum genug um die Widerstände dort zu "verstecken". Das sah dann beispielsweise so aus:
Bild

Die beiden Drähtchen gehören durch die Löcher der Halter gesteckt. Dort habe ich sie mit dem Anschlusskabeln verlötet. Damit das Anschlusskabel nicht herumschlackert habe ich auf die LED-Halter mit einem 3D-Objekt für einen "Klebesockel für Kabelbinder" fusioniert, wie man auf dem folgenden Bild ganz gut erkennt:
Bild
Die Anschlusskabel sitzen schon ohne Kabelbinder fest, ich kann auf die Kabelbinder also verzichten. Man hätte das sicher noch eleganter lösen können, aber für den Augenblick reicht mir das.

Wenn sich die LED bewegt könnte das die Messung beeinflussen, deshalb habe ich anschließend das "Innenleben" mit etwas Heißkleber fixiert:
Bild

Hier nun die Hochzeit aus LED-Halter und Küvettenhalter mit eingeschalteter LED; wir blicken von oben in die Kavität für die Küvette und sehen das Lichtbündel, welches durch die Küvette mit der Probe laufen wird:
Bild

Und hier sehen wir das Lichtbündel welches auf die Klemme für das Smartphone fällt. Im Betrieb muss dieses Lichtbündel auf den Umgebungslichtsensor des Smartphones fallen.
Bild

Fazit: Läuft soweit :mrgreen: Damit steht der ersten Messung erst einmal nichts im Wege, und natürlich werde ich irgendwas messen. Aber damit gebe ich mich natürlich nicht zufrieden ;) Ich werde eine Probe parallel mit dem DIY-Photometer und einem professionellen Photometer vermessen, nur so wird sich zeigen was das Ding taugt. Es bleibt spannend 8-)
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Re: Low Cost DIY Photometer zur Weinanalyse

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Kennt ihr das auch? Man arbeitet tagtäglich mit irgendwas und mit absoluten Selbstverständlichkeit, und wenn man die Details plötzlich einer fachfremden Person erklären soll steht man auf dem Schlauch. So geht es mir jetzt. Tja, da müssen wir jetzt gemeinsam durch.

Also: Bevor ich Messwerte präsentiere müssen wir mal ernst werden und reden. Reden über die Absorptionsmessung. Mist.

Zur Erinnerung was das Photometer eigentlich macht: Es misst den Intensitätsverlust eines Lichtstrahls, der durch die Probe geleitet wird. Das wird synonym als Absorption, Extinktion (E) oder optische Dichte (OD) bezeichnet. Diese wird aus der Intensität des ein- und ausfallenden Lichts berechnet, siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Extinktion_(Optik).
Bei der Formel fällt böse auf: Da steckt ein Logarithmus drin. Die Extinktion ist gleich dem Logarithmus des Quotienten aus der einfallenden Lichtintensität und der Lichtintensität "hinter" der Küvette. Wird kein Licht geschluckt, so wäre der Quotient gleich 1, und der Logarithmus von 1 ist 0: Eine Extinktion von "0" bedeutet also das die Probenküvette kein Licht schluckt.

Wie sind Extinktionswerte zu interpretieren? Wir erinnern uns, da war mal was in der Schule... So eine Logarithmuskurve ist nicht linear, sie steigt zunächst steil an und flacht dann ab. Das finden wir hier wieder: Schluckt die Probe beispielsweise 90% des Lichts, so beträgt die Extinktion "1". Eine Extinktion von "2" entspricht schon einer 99%igen Lichtabsorption. Bei einem hohen Messwert schlagen kleine Messfehler deshalb viel stärker durch: Misst man mit dem Photometer, so kann man hohen Messwerten nicht unbedingt trauen. Notfalls müssen die Proben verdünnt werden.

Wie finde ich heraus in welchem Messbereich ich vertrauenswürdige Werte bekomme? Das hängt auch vom Photometer ab: der Lichtintensität der Lichtquelle und der Empfindlichkeit des Sensors. Normalerweise würde ich sagen: Traue der Messung wenn sie im Bereich zwischen E=0,1 und E=1 liegt. Im Zweifelsfall sollte man sein Photometer testen wenn man eine Messung zum ersten Mal durchführt um zu schauen wo genau der "lineare Bereich" liegt, bei dem die Extinktionsabnahme dem Verdünnungsfaktor folgt: Beispielsweise bei einer Halbierung der Konzentration des lichtabsorbierenden Stoffs erwarte ich auch eine Halbierung der Extinktion.

Fazit: Wenn ich mit meinem Photometer das erste Mal Messungen durchführe sollte ich meinen Wein verdünnen und schauen wo der lineare Messbereich für jede Wellenlänge liegen könnte. Folgt der Extinktionsverlust dem Verdünnungsfaktor, so bin ich im vertrauenswürdigen Bereich.

Wenn wir über Verdünnungen reden müssen wir leider auch über Mischverhältnisse, Verdünnungen und Verdünnungsaktoren reden... Es ist die alte Streitfrage: Wenn ich einen Teil einer Lösung mit einem Teil Wasser verdünne, ist das dann eine Verdünnung 1:1 oder 1:2? Richtig ist: Mische ich jeweils einen Teil, also im Verhältnis 1:1, so ist die Verdünnung 1:(1+1) = 1:2, der Verdünnungsfaktor ist 2.

Anderes Beispiel: Mische ich im Verhältnis 1:3 (also ein Teil Probe mit drei Teilen Wasser), so ist die Verdünnung 1/(1+3) = 1/4; der Verdünnungsfaktor ist 4.

Alles klar? Dann nerve ich euch demnächst mit Messwerten :mrgreen:
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Re: Low Cost DIY Photometer zur Weinanalyse

Beitrag von Fruchtweinkeller »

So, kommen wir nach viel, viel Test endlich zum Ende. Hier noch ein Bildchen vom DIY-Photometer in Aktion:
Bild

Bevor ich die Messwerte präsentiere ein paar Worte zum Handling des DIY-Photometers.
Als Smartphone habe ich mein altes Galaxy S8 verwendet. Die Klemme des Küvettenhalters ist mäßig gut für ein so dünnes Smartphone geeignet, ich habe mir beholfen indem ich einen weiteren Möbelgleiter auf die Klemme geklebt habe. Dann kommt der unangenehme Teil: Nachdem man herausgefunden hat wo der Umgebungslichtsensor überhaupt ist muss man das Photometer aufstecken und so ausrichten das der Lichtstrahl optimal auf den Sensor fällt. Das ist etwas ätzend, und wenn man eine vernünftige Position gefunden hat darf man das Ding möglichst nicht mehr bewegen, deshalb stelle ich das Smartphone in den Halter. Bei der Ausrichtung hilft zum Glück die die App, welche das auf den Sensor einfallende Licht in Lux und in Echtzeit anzeigt: Man schiebt also (ohne Küvette) so lange hin und her bis ein möglichst hoher Wert angezeigt wird. Am Anfang habe ich den Fehler gemacht, den höchstmöglichen Wert anzustreben: Damit schießt man sich nur auf eine zeitfressende Umlaufbahn, denn wenn man an dem Konstrukt wackelt schwankt der Wert immer ein wenig. Wenn die Ausrichtung passt wird es einfacher: Mit dem Smartphone auf dem Halter können die Küvetten problemlos gewechselt werden ohne das man stark schwankende Mondwerte befürchten muss.
Die Messung läuft dann so ab: Man steckt zunächst eine mit Wasser gefüllte Küvette in das Photometer um den Nullwert zu bestimmen ("Blank"). Es könnte ja sein das die Küvette selbst und das Lösungsmittel (in diesem Fall Wasser) bereits etwas Licht schluckt, diesen Faktor hat man mit der Nullwertbestimmung berücksichtigt. In der App drückt man dazu auf "calibrate". Dann steckt man die Küvetten mit den Proben hinein, drückt auf "measure Abs." und liest den Wert ab. Das ist auch schon alles. Reichlich unspektakulär für all die Mühe und den vielen Text :mrgreen: Wenn man Sorge hat das die hakelige Ausrichtung auf den Sensor versehentlich doch verschoben wurde, so kann man die Küvette mit Wasser nochmals nehmen und deren Absorption messen: Stimmt der Nullwert noch, so muss man einen Messwert von 0 erhalten. Wenn man den LED-Halter tauscht, sprich wenn man die Wellenlänge wechselt, muss man selbstverständlich neu ausrichten und auch neu kalibrieren. Unterm Strich ist die Messung recht schnell erledigt und nicht allzu langsamer als mit dem professionelle Photometer: Das bootet erst mal gemütlich, und die Lampe muss Betriebstemperatur erreichen: Wenn man mal eben ein, zwei Proben messen möchte tut sich das wenig.

Kommen wir nun zum spannenden Teil: Den Messungen. Als Testwein habe ich einen stark gefärbten Primitivo genommen und habe ihn unverdünnt und in zwei Verdünnungsstufen (Verdünnungsfaktoren 1 = unverdünnt, 2 und 4) in die Photometer gesteckt, hier ein Bild der beiden Photometer, der Küvetten mit den Verdünnungen und mit den Messwerten:

Bild

Die gemäß der Glories-Methode berechnete Farbintensität I bezieht sich auf den unverdünnten Wein, anders herum gesagt: Der Verdünnungsfaktor wurde bei der Berechnung berücksichtigt. Die Formeln sind wie folgt:

Intensität I = Absorption bei 420 nm + Absorption bei 520 nm + Absorption bei 620 nm
Farbton T (Tone) = Absorption bei 420 nm / Absorption bei 520 nm

Was ist zu beobachten und wie ist das zu bewerten? Zunächst lautet die Frage: Welchen Werten kann ich vertrauen, welchen eher nicht? Wie zuvor beschrieben ist der Fehler bei hohen Messwerten überproportional hoch. Bei der Bewertung hilft folgende Überlegung: Theoretisch müssten die Werte im unverdünnten Wein doppelt so hoch sein wie im um den Faktor 2 verdünnten Wein: Das stimmt beim professionellen Photometer nicht (vgl. z.B. C3 und C4), aber witziger Weise beim DIY Photometer (vgl. C9 und C10). In Punkto linearem Bereich hat das DIY Photometer sogar die Nase vorn.

Vergleicht man die Verdünnungen um den Faktor 2 und 4 miteinander, so folgt die Abnahme der Exktinktion bei 520 und 420 nm der Verdünnung bei beiden Photometern (Halbierung). Das sieht also sehr vertrauenswürdig aus. Die Messungen bei 620 nm sind überhaupt kein Problem, weil der Wein bei dieser Wellenlänge offensichtlich wenig Licht schluckt: Die Werte sind durchweg unter 1.

In einer idealen Welt müsste ich im linearen Bereich mit beiden Geräten dieselben Werte bekommen. In der Praxis stimmt das nie ganz exakt überein. Und tatsächlich: Vergleicht man zum Beispiel die Werte für die Verdünnungen 1:3, so liegen die Messwerte zwar dicht beieinander, sind aber nicht exakt gleich. Ist das ein KO-Kriterium für mein Bastelstück? Nein, das diskutiere ich gerne weg, denn es gibt mögliche Fehlerquellen: Erstens weichen die Wellenlängen der LEDs womöglich geringfügig ab vom Photometer, welches genau die eingestellte Wellenlänge liefert. Das kann durchaus kleine Abweichungen bei den Messwerten zur Folge haben. Zweitens habe ich an einem Abend zu Hause mit dem DIY-Photometer gemessen, und am nächsten Tag mit dem Profigerät. Dazu habe ich auch eine neue Verdünnungen angesetzt mit anderen Pipetten. Das war von der Durchführung nicht optimal, war aber nicht anders zu machen. Und zwischendurch war der Wein offen; all das kann kleine Messunterschiede zur Folge haben. Wenn man das berücksichtigt liegen die Werte meiner Meinung nach befriedigend eng zusammen. Auch der berechneten Werte für I und T sind fast gleich: Ich bin begeistert! Das Teil funktioniert!

Was lernen wir nebenbei über den Primitivo? Die höchste Absorption erhalte ich bei 520 nm, der Farbton liegt damit unter 1, was typisch ist für einen eher jungen Wein. So schmeckt er auch, er war gerbstoffreich und noch rau im Geschmack. Wenn der Wein altert sollte die Absorption bei 520 nm sinken und die Absorption bei 420 nm steigen, somit sollte der Farbton steigen: Was zu beweisen wäre. Das nächste Experiment wirft seine Schatten voraus.

Ultrakurzfazit: Funktioniert und ist einsatzbereit.

Damit schließe ich die Dokumentation hier erfolgreich ab und öffne den Tröööt für Nachfragen und Kommentare. Wenn ich mit meinem Photometer weitere, mehr oder weniger sinnvolle Experimente durchführe werde ich davon in einem neuen Trööt berichten 8-)

Die Dateien für den veränderten Küvettenhalter und die LED-Halter habe ich bei Thingiverse hochgeladen und stehen jedem zur Verfügung:

https://www.thingiverse.com/thing:5478035

Ich wünsche viel Spaß und Erfolg beim Nachbau und einen Erkenntnisgewinn bei den Messungen!
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Re: Low Cost DIY Photometer zur Weinanalyse

Beitrag von Bahnwein »

Fruchtweinkeller hat geschrieben:

> Die gemäß der Glories-Methode berechnete Farbintensität I bezieht sich auf
> den unverdünnten Wein, anders herum gesagt: Der Verdünnungsfaktor wurde bei
> der Berechnung berücksichtigt. Die Formeln sind wie folgt:
>
> Intensität I = Absorption bei 420 nm + Absorption bei 520 nm + Absorption
> bei 620 nm

Müsste die Formel für die Farbintensität nicht eher so aussehen? Sonst habe ich es nicht verstanden und bräuchte noch Aufklärung.
Intensität I = ( Absorption bei 420 nm + Absorption bei 520 nm + Absorption bei 620 nm) x Verdünnungsfaktor

Super, das ein so verhältnismässig einfaches DIY Gerät so gute Ergebnisse bringt.
Ich baue mir trotzdem keines, da mir dazu sämtliche benötigte Ausrüstung, die benötigte Zeit und die nötige Lust zur Messerei fehlt.

Edit: Die Zitatfunktion scheint bei Texten von dir anders zu funktionieren? Egal.
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Re: Low Cost DIY Photometer zur Weinanalyse

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Ja, der Verdünnungsfaktor geht in die Rechnung der Intensität ein. Hatte ich geschrieben und in der Formel dann unterschlagen ;)
90% of everything is crap... Except crap. 100% of crap is crap.
(Too much coffee man)

The amount of energy needed to refute bullshit is an order of magnitude bigger than to produce it.
(Brandolini's law)

PMs mit Fragen werden ignoriert
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