Ich weiß nicht, ob das Thema hier richtig ist. Falls es besser woanders stehen sollte, darf es gerne verschoben werden. Falls ich hiermit ein Thema ansprechedas ihr schon tausend Mal durchgekaut habt, ohne dass ich euch Neues bieten kann (und ich es nur bisher trotz angestrengter Suche nicht gefunden habe) lässt es mich wissen.
Ich habe hier im Forum und auch auf der Homepage (insbesondere im HWK) nun des Öfteren etwas über die rechtliche Situation bzgl. Honigwein (Met) gelesen. Dabei wird fast immer auf die Leitlinien weinähnlicher Getränke verwiesen. Als Jurist, der mit Lebensmittelrecht so gar nichts zu tun hat, kam es mir aber bereits etwas seltsam vor, dass die rechtliche Situation anhand von "Leitlinien" beurteilt wird. Aber gut, dazu möchte ich später kommen.
A. Die Leitlinien
Ich habe mir diese Leitlinien - insbesondere im Hinblick auf Honigwein - näher angesehen. Dabei sind mir einige Unstimmigkeiten aufgefallen, die sich mit logischem Menschenverstand kaum erklären lassen.
So heißt es etwa unter lit. A Ziffer 12:
Gleichzeitig benennt lit. B Ziffer 3 die "üblichen Zusatzstoffe" aller Erzeugnisse und führt u.A. auch Zucker auf. Widersprichen sich die Leitlinien hier etwa?Honigwein ist ein Erzeugnis, das aus einem Gewichtsteil Honig mit höchstens zwei Gewichtsteilen Wasser ohne Zusatz von Zuckerarten oder anderen süßenden Zutaten hergestellt wird.
Wenn wir weiterlesen, finden wir unter lit. B Ziffer 7 einen Hinweis:
Diese Lösung klingt zunächst ganz gut. Wenn man sich dann aber die Zutatenliste ansieht, stellt man schnell fest: Da fehlt doch was?! Wenn als Zutaten angegeben sind Honig, Wasser, Hopfen, Gewürze und Citronensäure... dann fehlt die Hefe!Zur Herstellung von Honigwein und Honigschaumwein werden zusätzlich verwendet:
– Hopfen,
– Gewürze.
Abweichend von Nummer 3 wird nur Citronensäure bis zu 3 g/l verwendet.
Auch wenn Honigwein theoretisch auch ohne Zugabe von Hefe zu gären beginnen kann (Stichwort: Spontanfermentation), vermag ich mir nicht vorzustellen, dass ein gewinnorientiertes Unternehmen, welches sich der Herstellung und des Verkaufs von Met verschrieben hat, rein auf die Spontanfermentation setzen mag. Dies gilt insbesondere, da ja auch keine Früchte oder ähnliches (als Träger von Hefesporen) hinzugegeben werden dürften.
Die Einschränkung des "Abweichend von Nummer 3" kann mE daher nicht dahingehend verstanden werden, dass alle Zutaten von Ziffer 3 rausfliegen müssen. Es kann sich vielmehr nur auf die unter Ziffer 3 genannten Säuren (Äpfelsäure, Milchsäure und/oder Citronensäure) beziehen.
Das erklärt jedoch wiederum nicht, weshalb die Zugabe von Zucker nach lit. B Ziffer 3 für "alle Erzeugnisse" (also auch für Met) möglich - ja, sogar üblich - sein soll, wenngleich die Definition des Honigweins unter lit. A Ziffer 12 von "ohne Zugabe von Zucker (...)" spricht. Ist Zucker nun böse oder nicht?
Zuerst habe ich vermutet, dass sich dies auf das Gewicht einer Zuckerlösung bezieht. Die Dichte von Zucker ist ja deutlich höher als die von Wasser. Eine stark gesättigte Zuckerlösung wäre folglich schwerer als ungezuckertes Wasser. Nähme man also 2 Liter Wasser, die jeweils 1,4 kg wiegen, dürfte man 1,4 kg Honig verwenden, obgleich die Volumina der beiden Teile Wasser unverändert bleiben. Vielleicht wollte Ziffer 12 der lit. A eine übermäßige Nutzung von Honig unterbinden?
Aber nein, das kann es nicht sein: Denn die Definition spricht von einem Teil Honig und maximal 2 Teilen Wasser. Es würde also ein Verhältnis von 1:2 entstehen. Da "maximal 2 Teile Wasser" aber auch bedeuten können, dass nur 1 Teil Wasser genommen werden dürfte - egal ob das jetzt sinnvoll ist oder nicht - wäre der Honiganteil bei 1:1. Eine Grenze der übermäßigen Verwendung von Honig durch eine Dichterechnung verhindern zu wollen, macht also keinen Sinn, da der Anteil an Honig beliebig hoch sein darf - nur eben nicht zu gering.
Zwischenergebnis:
Die Leitlinien ergeben aus sich selbst heraus keinen Sinn. Sie widersprechen sich. Der Widerspruch lässt sich auch logisch nicht auflösen. Meiner Vermutung nach, haben die Verfasser mit lit. B Ziffer 3 einen gedanklichen Fehler gemacht, als sie von "allen Erzeugnissen" gesprochen haben. Ich denke, dass die Definition aus lit. A stärker sein soll und die Zugabe von Zucker nicht erlaubt sein soll. Aber Anhaltspunkte dafür liefern die Leitlinien nicht. Wie ich auf diese Meinung komme, erkläre ich weiter unten.
B. Die Verordnung über bestimmte alkoholhaltige Getränke
Der Begriff "Honigwein" kommt nicht nur in den ominösen Leitlinien vor. Sondern er wird auch in einer anderen Rechtsquelle angesprochen, nämlich in der AGeV. Dort wird er zwar nicht wörtlich angesprochen, aber es geht im § 10 Abs. 1 AGeV um weinähnliche Getränke. Und hier zählt auch der Honigwein dazu, wie sich bereits aus der Definition ergibt:
Auch aus der juristischen Literatur zu dieser Vorschrift ergibt sich, dass Honigwein davon umfasst ist (vgl. Zipfel/Rathke, LebensmittelrechtWeinähnliche Getränke sind alkoholhaltige Getränke, die durch teilweise oder vollständige alkoholische Gärung aus (...) Honig sowie im Übrigen nach Maßgabe der Verkehrsauffassung hergestellt werden.
Werkstand: 181. EL November 2021, Rn. 11). Was Met/Honigwein aber genau ist, erklärt auch die Literatur nicht. Relevant ist aber, dass hier auf die Verkehrsauffassung abgestellt wird. Met/Honigwein ist also (nur) dann Met/Honigwein, wenn der durchschnittliche Konsument das Erzeugnis in Kenntnis der Herstellung letztlich als Met/Honigwein bezeichnen würde. Was genau der durchschnittliche Konsument aber so bezeichnet, bleibt unbeantwortet.
Zwischenergebnis:
Die AGeV hilft uns bei der Frage was nun genau zur Herstellung von Met/Honigwein verwendet werden darf, leider auch nicht weiter. Wichtig für das weitere Verständnis ist aber: Es kommt auf die Verkehrsauffassung an.
C. Das Lebens- und Futtermittelgesetz
Nun habe ich mich damit befasst, was denn diese ominösen Leitlinien eigentlich für eine Rechtsquelle sind. Immerhin werden sie im Bundesanzeiger veröffentlicht, also genau dort, wo Gesetze und Verordnungen auch publiziert werden. Haben diese Leitlinien also den Rag eines Gesetzes oder einer Verordnung?
Die Leitlinien sind Teil des deutschen Lebensmittelbuches. Dieses wiederum wird von der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission geführt, welche sich aus Vertretern der Wissenschaft, Verbrauchern, Wirtschaft und so weiter besteht. In Abstimmung mit zwei Ministerien werden die Leitlinien dann veröffentlicht. So bestimmt es § 15 LFGB.
Also: Haben diese Leitlinien nun Gesetzesrang?
Nein, da sind sich fast alle einig. Die Juristen streiten zwar noch darüber welchen Stellenwert diese Leitlinien haben. Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht bereits 1987 entschieden, dass die Leitlinien als "Sachverständigengutachten von besonderer Qualität" zu betrachten sind. Sie sind keine Rechtsquellen. Man muss sich nicht an diese Leitlinien halten - ein Verstoß gegen diese Leitlinien ist kein Gesetzesverstoß! Man darf von den Leitlinien abweichen!
Aber wozu sind diese Leitlinien Gutachten? Was sollen sie beweisen oder nahelegen? Dazu gibt uns auch das LFGB keine Antwort.
Zwischenergebnis:
Die Leitlinien sind keine Gesetze. Man muss sich nicht an deren Inhalt halten. Aber wozu die Leitlinien dienen, ist noch nicht ganz klar.
D. Die Lebensmittelinformationsverordnung - Verordnung der EU Nr. 1169/2011
Die Lösung finden wir im Europarecht. Genauer gesamt im Artikel 7 LMIV. Demnach ist es nämlich verboten, wenn Informationen über Lebensmittel irreführend sind. Das bezieht sich sowohl insbesondere auf die Zusammensetzung und Art bzw. Methode der Herstellung.
Die Frage die sich hier stellt ist also: Ist die Bezeichnung eines weinähnlichen Getränks als Met oder Honigwein irreführend, wenn zu dessen Herstellung auch Zucker oder Fruchtsaft verwendet worden ist? Wird damit dem Käufer dieses Produktes vorgegaukelt, dass er Geld für etwas ausgibt, das er in Wahrheit gar nicht erwirbt?
Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Denn was genau Met oder Honigwein ist, konnte uns das Gesetz ja bisher gar nicht beantworten. Eine gesetzliche Definition dafür gibt es nicht. Deshalb ist es erforderlich auf die verkehrsübliche Bezeichnung zu achten.
Aha! Das Wort kommt uns doch bekannt vor: verkehrsüblich und Verkehrsauffassung sind nämlich annähernd inhaltsgleich. Man müsste sich also die Frage stellen: Was versteht die Gesellschaft unter Met oder Honigwein. Erwartet der durchschnittliche Konsument tatsächlich keine Zugabe von Zucker oder Fruchtsaft?
Diese Frage ist schwer zu beantworten. Daher kann ich eine abschließende Antwort auch nicht geben.
Wir erinnern uns, dass die Leitlinien eine Art Gutachten waren. Und genau hier kommt dieses Gutachten zum Tragen: Die Leitlinien sollen einen Hinweis darauf geben, wie die Verkehrsauffassung aussieht. Sie sind dabei allerdings nicht der Weisheit letzter Schluss - ein Gegenbeweis ist möglich. Um allerdings entgegen den Leitlinien zu beweisen, dass die Verkehrsauffassung anders ist als darin abgebildet, müsste schon eine großangelegte, repräsentative Studie angefertigt werden. Ob das jemand kann?!
Ob und wie ein Gericht hier entscheiden würde ist unklar. Aber der BGH hat 2004 (aus Versehen?!) den Honigwein in einem Urteil definiert. Er schrieb in seinem Urteil:
Auch der BGH geht also davon aus, dass Honigwein nur aus Wasser, Hefe und Honig besteht. Kein Zucker, kein Fruchtsaft etc. Die "geeigneten Herstellungsverfahren" würde noch die Zugabe von Hefenährsalzen oder Säuren erlauben. Aber dann war's das wohl auch. Der BGH ist also in seiner Definition grob der Definition der Leitlinien gefolgtHonigwein ist ein durch Vergären einer Honig-Wasser-Lösung mit Hilfe von Reinzuchthefen unter kontrollierten Bedingungen hergestelltes weinähnliches Getränk, das bei Anwendung geeigneter Herstellungsverfahren einen Alkoholgehalt von ca. 18 Vol.-% erreicht.
Es liegen also Hinweise darauf vor, dass die Verkehrsauffassung bei dem Begriff Met oder Honigwein eher dazu tendieren würde einen Met mit Zucker/Fruchtsaft nicht als Met zu bezeichnen. Eine solche Bezeichnung wäre dann irreführend. Das wäre dann ein Verstoß gegen § 11 LFGB und dann nach § 59 LFGB sogar strafbar.
Zwischenergebnis:
Met ist Met ist Met. Die Verkehrsauffassung dürfte wohl dahingehen, dass Met nur aus Wasser, Hefe und Honig besteht. Sonst nix. Also darf alles andere auch nicht als Met bezeichnet werden.
Das ist auch der Grund, weshalb ich ganz oben davon ausgehe, dass die Leitlinien unter lit. B Ziffer 3 unsauber gearbeitet haben
E. Die Lösung
Wir wissen nun, dass der Begriff Met nicht einfach so genutzt werden kann. Allerdings ist er nicht gesetzlich geschützt. Es kommt bei der Verwenung also in erster Linie darauf an, ob damit Verbraucher getäuscht werden könnten.
Eine solche Verbrauchertäuschung kann natürlich aufgehoben werden, wenn ein anderer Begriff genutzt wird. Dieser "andere Begriff" darf dabei durchaus den Begriff "Met" enthalten. Er muss sich nur klar von dem verkehrsüblichen Begriff abgrenzen.
Ich habe viel gesucht, aber leider nicht viel dazu gefunden. Ich glaube es hat sich noch kein Obergericht in Deutschland damit beschäftigt, welche Begriffe nicht mehr irreführend sind. Basierend auf einigen anderen Urteilen, würde ich aber sagen, dass es durchaus solche Begriffe gibt.
Spontan würde mir einfallen:
- Fruchtmet
- Apfelmet
- Zucker-Honigwein
oder Ähnliches.
Viele wissen wohl, aus welchen Zutaten Bier besteht. Wenn ich nun im Supermarkt "Kirschbier" sehe, dann würde ich nicht denken, dass es sich dabei nur um die üblichen Bierzutaten handelt. Irgendwie muss noch Kirsche mit da rein rutschen. Ich würde mich nicht in die Irre geführt fühlen.
Genauso würde ich es daher auch beim Fruchtmet empfinden. Wenn der gemeine Käufer unter Met also Wasser, Honig und Jede versteht, dürfte ihm schnell auffallen, dass hier keine Frucht enthalten ist. Der Fruchtmet muss also noch irgendetwas anderes enthalten, als der "klassische Met". Es dürfte klar sein, dass es sich um etwas anderes - ähnlich vielleicht, aber anders - handelt.
Anlehnend an andere Bereiche der Lebensmittelindustrie könnte auf die Bezeichnung Met auch vollständig verzichtet werden (das ist bei butterähnlichen Erzeugnissen ja auch oft so). Denn Fantasienamen wie "Drachenblut", "Göttertrunk" oder "goldener Tropfen" auf einem Etikett sind nichtssagend. Auf einem rückwärtigen Etikett könnte dann eine nähere Bezeichnung stehen (Fruchtmet - weinähnliches Getränk auf Basis von Früchten und Honig hergestellt, gezuckert).
Ergebnis:
Die reine Bezeichnung als Met oder Honigwein dürfte für Ansätze mit Zucker und Fruchtsaft nicht möglich sein. Allerdings ist die (auch hier) bisher offenbar vertretene Ansicht, dass ein so hergestelltes Produkt nicht verkauft werden dürfte (bzw. als Fruchtwein mit Honig bezeichnet werden müsste) mE nicht ganz zutreffend. Eine solche Bezeichnung wäre nicht falsch. Aber sie ist in meinen Augen nicht die einzige nicht irreführende Bezeichnung. Der Begriff Met darf mE durchaus vorkommen.
Achtung: Ich habe zwar viel recherchiert, aber zu Met / Honigwein gibt es so viele Quellen nun nicht. Meine Schlussfolgerungen sind daher bisher noch von keinem Gericht bestätigt worden. Es handelt sich um meine Meinung - die vielleicht irgendwann mal gerichtlich überprüft wird
Steile These:
Ich habe bisher noch keinen Ansatz selbst gemacht. Met ist für mich absolutes Neuland. Aber ich habe nun bereits mehrfach herauszulesen geglaubt, dass ein Ansatz wie das hiesige Basisrezept "besser" oder "vollwertiger" sein sollen als handelsüblicher Met. Wenn dem so ist, schadet doch auch eine sich vom üblichen Produkt abhebende Bezeichnung nicht, oder?
Wie seht ihr das? Ist es nicht sogar ein Vorteil, wenn man sich begrifflich von allen Konkurrenzprodukten abheben kann, indem man sich etwa Fruchtmet nennt? Ich sehe darin erst einmal nicht nur Nachteile...
Danke für's Lesen!