Rosenmontag - mach mal was mit Alkohol ...

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JasonOgg
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Rosenmontag - mach mal was mit Alkohol ...

Beitrag von JasonOgg »

Es ist Rosenmontag, kein Arbeitstag, schäbiges Wetter, da dachte ich, mach mal was mit Alkohol, es steht genug zum Filtern im Keller. Ich hätte es mir früher überlegen und genauer planen sollen.

Filterplatten hatte ich kontrolliert, es waren ausreichend da, sogar schon passend für den Pulcino geschnitten, leider noch ohne Loch. Nachdem ich eine halbe Stunde damit verbracht hatte, die Lochzange zu suchen, erhielt ich den entscheidenden Tipp, mal unsere Tochter zu fragen. Per WhatsApp bestätigte sie, dass sie die Zange hätte, also suchte ich das Locheisen :(

1. Lektion: Kontrolliere rechtzeitig, ob alles was du brauchst vorhanden ist, damit du es notfalls noch besorgen kannst.

Schlau geworden, kontrollierte ich, ob ausreichend Zucker vorhanden ist, aber 5kg sollten genügen.

Also los geht es, die Ballons vorsichtig ohne aufwirbeln bereitgestellt, da sind 10l Josta, 10l weiße Jobeere, 20l schwarze Jobeere, die 15l Mispel von 2017 und zum sterilfiltern noch 20l von etwas unbekanntem, bereits feingefiltertem vom letzten Jahr. Also genug zu tun, die Quitte mit Jobeere von 2015 kann noch etwas stehenbleiben und Belag bilden, bei der Gelegenheit habe ich den Inhalt des Gärspundes wieder mit frischer schwefliger Säure gefüllt. Leere Auffangballons und Schläuche nochmal gereinigt, Filter mit K100 Feinfiltern bestückt, alles angeschlossen und dann die Pumpe eingeschaltet.

Leider war da nur ein unmotiviertes Brummen zu hören. Also das Gehäuse am Flügelrad geöffnet und festgestellt, dass auch hier gelegentliches Entkalken die Einsatzfähigkeit erhöht.

2. Lektion: die Filterpumpe braucht auch Pflege

Aber dann geht es los, erst spülen, dann die Mispel als hellstes zuerst, 15l in 15l Ballon. Dann erst einmal zurücklehnen, man kann ja schon mal Flaschen schwefeln, bis ich die Pfütze auf dem Boden so und es tropfte immer noch. Also erst die Undichtigkeit der an der Druckseite der Pumpe beseitigen, dann geht es weiter.

3. Lektion: alle Vorgänge sollten unter Beobachtung bleiben

Es ist schon erstaunlich, wie wenig Bodensatz die Mispel nach 6 Monaten Klärung hatte, da war vielleicht ein viertel Liter Verlust, der 15-er Ballon wieder ziemlich voll. Weiter geht es mit der weißen Johannisbeere. Dieser Ansatz war aus weißer Versailler, einer Handvoll rosa Johannisbeeren und zum Auffüllen auf 10l mit 500g roten Jobeeren aufgefüllt. Farblich hätte er auch rote Jobeere pur sein können. Anschließend Jostabeere und dann zum Schluß die schwarze Jobeere. Die 6 Filterschichten hätten noch mehr vertragen, aber es kommt ja noch steril und abfüllen, und irgendwann ist der Tag zu Ende. Letztes Mal hatte ich ja auch 20l feingefiltert stehenlassen müssen, weil der Zeit nicht mehr reichte.

4. Lektion: die zur Verfügung stehende Zeit sollte für alle nicht aufschiebbaren Arbeitsschritte ausreichen

Diese 20l sollten dieses Mal sterilgefiltert werden. Der Ballon sieht dunkel aus, ich habe keine Ahnung, was darin ist, selbst beim letzten Mal war ich mir nicht sicher, denn in meiner Liste fehlt mir eigentlich kein Ansatz. Als ich dieses Mal eine Probe ziehe hat er eine sehr schöne goldene Honigfarbe und ich nehme ein deutliches Quittenaroma wahr. Trotz Feinfilterung hatte sich im letzten halben Jahr ein ziemlicher Bodensatz gebildet. Nachdem ich mein Tagebuch zu Rate gezogen hatte, musste das eine Quitte mit Jobeeren gewesen sein, die aus einem Doppelansatz herrührte, den ich wohl nicht verzeichnet hatte. Warum der jetzt nicht mehr dunkelrot, wie beim Feinfiltern, sondern eher honiggelb ist, weiß ich nicht. Obwohl, ich habe eine Ahnung. Ein Probierschluck ergab einen völlig oxidierten Quittenwein, andere Leute würden sagen Sherry mit Quittenaroma. Kurz, den Abschluss dieses Ansatzes spare ich mir, 20l in den Ausguss. Der Bodensatz sah übrigens aus, wie bei Johannisbeere, dort waren anscheinend die Farbpigmente ausgefallen.

Wahrscheinlich hätte man nach der Feinfilterung schwefeln sollen, was ich versäumt habe. Durch das Feinfiltern war anscheinend ausreichend Sauerstoff für diese heftige Oxidation gelöst. Der Ausfall der Farbe sollte im Zusammenhang mit der Quitte vielleicht an anderer Stelle nochmal diskutiert werden.

5. Lektion: Schwefeln nach der Feinfiltration kann sinnvoll sein

Das sollten wir mit unserem Chef noch einmal klären. Bei mir hat Feinfiltration mit anschließender 6 monatiger Lagerung und regelmäßig überprüftem Gärspund geschadet. Warum dieses Problem nicht mit jedem Wein in der Flasche auftritt, ist die Frage. Allerdings ist auch hier die Quitte wieder etwas besonderes.

Also weiter zur Sterilfiltration. Zuerst muss der Zucker eingestellt werden. Also Messzylinder und Tauchspindel bereitgestellt, die Mispel zeigt exakt die Null-Linie, also 1000 kg/m³. Dieses Jahr werden wir einen Hauch trockener, also mit Zucker die Dichte auf 1020 erhöhen, schauen, was die Skala an g/l Zucker anzeigt und die Differenz hinzufügen, also grob 700g auf die 14,8l. Dazu 1,5l abgezogen und mit dem Magnetrührer 400g Zucker gelöst, wieder in den Ballon geschüttet und mit den restlichen 300g ebenso verfahren. Und wieder gab es eine Pfütze, denn Zucker 700g Zucker in 14,8l Wein können einen Ballon zum überlaufen bringen, wenn auch noch der Trichter Flüssigkeit verdrängt.

6. Lektion: auch Zucker benötigt Raum, besonders in spundvollen Ballonen

Nach dem Putzen geht es weiter, desinfizieren, spülen usw. Dann geht die Filterei los. Währenddessen weiter Flaschen schwefeln, natürlich geht eine zu Bruch. Dabei fällt mir ein, dass ja auch die Korken etwas in der Schwefelbrühe liegen sollten, also die Schüssel gefüllt, die Korken geholt und da kam der nächste Schreck. Ich habe nur noch 48 Korken :twisted: Gefühlt hatte ich die erst vor zwei Jahren gekauft. Eine Kontrolle ergab, dass ich tatsächlich die 500 Korken innerhalb von 3 Jahren aufgebraucht habe, aber ich habe keine Ahnung wie. Kurz überschlagen, das wären rund 100l pro Jahr, aber wo sind dann die Flaschen alle geblieben?

Zusatz 1. Lektion: das gilt insbesondere für anscheinend in unendlichen Mengen vorhandenen Verbrauchsmaterialien

Aber wenn der Wurm erst einmal drin steckt. Als ich das Ansaugrohr in den randvollen Mispelballon gleiten ließ bekam ich die nächste Pfütze, naja, Dummheit gehört bestraft.

Zusatz 6. Lektion: das gilt auch für Equipment, wie Schläuche, Ansaugrohre, Pipetten usw.

Ab da ging aber alles reibungslos, sieht man davon ab, dass ich mir noch an einer Plastikverpackung in den Daumen geschnitten habe. Fazit 38 Flaschen abgefüllt und jetzt stehen wieder 10l Josta und 20l schwarze Jobeere feingefiltert rum. Aber mit einem Hauch Schwefel dieses Mal ;)

Wäre ich froh bin den Tage ohne größere Verletzungen überstanden zu haben, geht mir durch den Kopf, dass es auch schlimmer hätte sein könenn. Zum Beispiel hätte ich die Magnetrührer zu schnell stellen können oder dort den Rührbecher zu voll machen. Was bleibt ist die folgende Einsicht:

7. Lektion: :mrgreen: Vorsicht mit Alkohol an Rosenmontag :mrgreen:
„DENK DARÜBER NICHT ALS STERBEN", sagte der Tod.
„DENK EINFACH DARAN, DASS DU FRÜHER GEHST, UM DEM ANSTURM AUSZUWEICHEN.“

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Chesten
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Re: Rosenmontag - mach mal was mit Alkohol ...

Beitrag von Chesten »

Ich glaube nach deiner Odyssee solltest du dich lieber auf das Alkohol trinken am Rosenmontag wie der Rest der Bevölkerung beschränken :lol: !
Hier findest du einen Anleitung wie man seinen ersten eigenen Wein herstellt ( Bebilderte Anleitung) :
http://www.forum.fruchtweinkeller.de/viewtopic.php?f=33&t=12175
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Re: Rosenmontag - mach mal was mit Alkohol ...

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Hihi, lustige Geschichte. Und witziger weise habe ich am Montag auch abgefüllt, zwei Ansätze mit insgesamt 50 Flaschen. Mit beiden bin ich nicht ganz zufrieden, ihr werdet sie sicher auf der Tagung kosten können. Mal sehen, vielleicht tut sich geschmacklich noch etwas bis dahin.
Nachdem ich spät Mittags alle Korken in den Flaschen hatte fing ich an mit der Aufräumerei, danach musste ich mich noch für die Etiketten motivieren, sprich: Ich habe die Reste weggetrunken. Das hatte zur Folge dass ich spät Nachmittags ziemlich einen in der Krone hatte :oops: Aber alle Etiketten sind halbwegs gerade auf der Flasche :)
Was soll's, war ja Karneval 8-)
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JasonOgg
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Re: Rosenmontag - mach mal was mit Alkohol ...

Beitrag von JasonOgg »

Lustig? Das habe ich Montag anders gesehen :cry:
Etiketten? Richtig, das fehlt auch noch.

Inzwischen habe ich neue Korken bestellt, die haben auf der Webseite inzwischen sogar ein Pflichtfeld "Drucktext" :o
Fruchtweinkeller hat geschrieben: 05 März 2019 22:31 ... zwei Ansätze mit insgesamt 50 Flaschen. Mit beiden bin ich nicht ganz zufrieden, ihr werdet sie sicher auf der Tagung kosten können...
50 Flaschen, das sind grob 2 mal 20l, so viel Mühe machst Du Dir nicht mit Brühe, also können wir uns beruhigt zurücklehnen. :mrgreen:
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Re: Rosenmontag - mach mal was mit Alkohol ...

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Gut und richtig kombiniert, Sherlock :clap: Ich brauchte einfach etwas Raum und Platz für die "interessanten" Ansätze, deshalb die Abfüllaktion :mrgreen:
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