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Zuckerrübenlikör 2018

Verfasst: 09 April 2018 23:16
von Kirschwein
Hallo,

bin nach ewiger Zeit mal wieder hier und wollte berichten von einem Gär-Experiment das bei mir gerade läuft.

ich hatte vor ein zwei Wochen eine ziemliche "Schnapsidee" und dachte mir, warum nicht mal Zuckerrübensirup vergären. Also das was es unter dem Namen Grafschafter Goldsaft in den allseits bekannten gelben Bechern zu kaufen gibt.

Meine Erwartungen an die Sache waren nicht besonders hoch, auch da ich im Netz schon von einigen Versuchen gelesen hatte wo Leute die es probiert haben wohl nicht so überzeugt waren von dem Geschmacksergebnis.

Aber jetzt nach etwas über einer Woche Gärung wo der Ansatz schon um die 9 Prozent hat, bin ich ehrlich gesagt sehr positiv überrascht. Der Zucker vom Gärstart ist inzwischen so gut wie verbraucht, und so ohne Zucker schmeckt es wirklich ein wenig seltsam. Aber wenn man dann eine Probe zieht und diese mit etwas Rübensirup aufsüßt, dann schmeckt es echt unerwartet gut!! :D Der Geschmack erinnert dann ein wenig an Pflaumenwein, den ich vor ein paar Jahren mal gemacht hab. Irgendwo zwischen Pflaumenwein und Malz-Bonbons vom Weihnachtsmarkt.

Der Plan ist, den Zuckerrüben"wein" nach Gärungsende zu einem Likör aufzuspriten, sodass er in etwa 18-20 Prozent hat. Dementsprechend wird der Zuckergehalt wohl auch oberhalb von 80 g/l sein im fertigen Produkt. Ich glaube in der Tat nicht, dass ein trockener oder halbtrockener Zuckerrübenwein besonders schmackhaft wäre. Aber als Likör mit ordentlich Süße und Alkohol kann ich mir es echt vorstellen. ;)


Hier mal mein Rezept bisher:

- 10 Liter Wasser
- 8 Becher Grafschafter Goldsaft (zum Gärstart)
- vier grüne säuerliche Äpfel
- Reinzuchthefe Bioferm Aromatic
- eine Prise Hefenährsalz
- großzügig bemessenes Antigel
- nach Gärungsende vielleicht noch ein bisschen Milchsäure


Den Zuckerrübensirup mit einem großen Schneebesen nach und nach in fünf Litern lauwarmem Wasser (ca. 30-40°C) auflösen. Geht am besten in nem handelsüblichen 10-Liter-Plastikimer (jaja ich weiß sollte eigentlich lebensmittelecht sein, aber hatte nix anderes :D ). Dann die Mischung in einen 15-Liter-Ballon geben. Nach und nach die restlichen fünf Liter kaltes Wasser hinzugeben, dabei immer kontrollieren ob der Zuckergehalt in einem für den Gärstart optimalen Bereich ist (ich hab bei mir um die 90° Oe eingestellt). Dann die Äpfel schälen, fein reiben und zum Ansatz dazugeben. Zum Schluss noch Hefenährsalz, Hefe und Antigel hinzugeben und alles verrühren.

Ein Wort zum Antigel: aus irgendeinem Grund schäumt verdünnter Zuckerrübensirup wie blöde. Das merkt man schon wenn man ihn mit nem Schneebesen in Wasser auflöst. Hab ich so in der Form noch mit keinem anderen Weinsansatz erlebt, auch mit meinen Honigweinen nicht. Ich hatte zuerst zum Gärstart in etwa 20 ml Antigel hinzugegeben um die Schaumbildung etwas zu unterdrücken, aber wie sich herausstellte, war das bei weitem nicht genug. Ich musste über 50 ml Antigel auf meine 10 Liter Ansatz hinzugeben, damit der Ansatz einigermaßen Ruhe gab und nicht mehr alles oben rausgeschäumt kam. Seid also wirklich großzügig mit dem Antigel.

Ich werd den Ansatz jetzt halt immer wieder mal nachzuckern bis die für Bioferm Aromatic typische Alkoholtoleranzgrenze von 14-15% erreicht ist. Nach Gärungsende und Abziehen von der Hefe werd ich ihn dann wohl erst einmal ein halbes Jahr im Keller lagern. Zuckerrübensirup hat durchaus ein paar Gerbstoffe, auch wenn man die bei konzentriertem Sirup nicht so merkt weil er halt so süß ist. Könnte mir vorstellen, dass dem abgezogenen Jungwein also ein halbes Jahr Lagerung gut tun könnte. Somit peile ich als Abfülldatum für meinen Zuckerrüben-Likör in etwa Oktober-November an.


Mal sehen, was draus wird... ;)

- Kirschwein

Re: Zuckerrübenlikör 2018

Verfasst: 10 April 2018 08:14
von fibroin
Ich erinnere mich, den Grafschafter Goldsaft habe ich auch einmal probehalber vergoren. Du bekommst erst einmal den bei Weingärungen typischen Weingeschmack, der von den Aromen der Früchte mehr oder weniger überlagert wird. Beim Zuckerrübensaft ist das halt weniger. Ich fand es keine gute Geschmacksrichtung, ein weiteres Experiment habe ich dann sein gelassen. Optisch hatte der Wein eine ziemlich braune Farbe, die an oxidierte Fruchtweine erinnerte, was zwar nicht der Fall war. Scheinbar stört dann doch die Farbe mit für ein Geschmackserlebnis.

Wenn es dir bisher gefällt, versuche es weiter. Vielleicht als Gegenversuch das Zuckerwasser direkt aufspritten, damit die Weingärung entfällt. Dann wäre es richtiger Likör.

Re: Zuckerrübenlikör 2018

Verfasst: 10 April 2018 08:53
von Igzorn
Danke für die ausführliche Beschreibung. Klingt aber nicht nach dem besten Wein, den Du jemals machen wirst. :)

Re: Zuckerrübenlikör 2018

Verfasst: 10 April 2018 10:26
von Metinchen
Klingt interessant!
Was mir spontan dazu einfällt, (da du eh vorhast aufzuspritten), ich könnte mir Orange sehr gut dazu vorstellen. Vielleicht nimmt Du am Ende der Gärung die Säureeinstellung mit O-Saft (bei einem Teil des Ansatzes) vor und hängst noch die Schalen von ein paar Bio-Orangen rein... .
Auweia mir fällt ein das fast alle meine Ballons leer sind, der kleine Entdecker in mir schreit gerade ganz laut "probiere es, mach´s selber, nu mach schon..." :lol: :pfeif:

Re: Zuckerrübenlikör 2018

Verfasst: 10 April 2018 13:18
von Kirschwein
Wie gesagt hatte ich von vornherein keine großen Erwartungen an das Geschmacks-Ergebnis. Aber dafür bin ich echt sehr positiv überrascht.

Klar hätte ich auch einen "richtigen" Likör machen können, aber das wären dann ja bei 10 Litern mit 20% vol mehr als zwei Liter 96-prozentiger Neutralalkohol gewesen, sprich um die 80 Euro nur um's mal auszuprobieren. Warum also nicht die Hefe fast für umsonst arbeiten lassen... und obendrein noch ein paar geschmacksbildende Stoffe dazu bekommen, die du beim Zusammenkippen von Zuckerwasser und Alkohol nicht hast... ;)

Naja gut, die Farbe ist halt bräunlich-schlammfarben. Sieht momentan aus als hätte man damit den Fußboden gewischt... :lol: Das Auge trinkt ja auch mit, aber wenn der fertige Wein sich ein wenig geklärt hat und dann gefiltert wird, dann sieht er bestimmt auch etwas einladender aus. Und mein Pflaumenwein vor ein paar Jahren sah farblich auch nicht weltbewegend anders aus. Der war in etwa blau-braun, und das völlig ohne Oxidation.

Ich weiß im Moment nicht, ob die Trübung im Gäransatz von Hefe und geriebenen Äpfeln kommt oder ob der Sirup an sich viele Trübstoffe mitbringt. Das wird sich halt zeigen wenn der Wein von der Hefe abgezogen ist. Ansonsten könnte man ja mal eine behutsame Gelatine- bzw. Kieselsol-Schönung versuchen.

Ob Orangen mit dem malzigen Geschmack des Zuckerrübensirups harmonieren, weiß ich nicht. Kann ich mir im Moment nicht so vorstellen. Ich glaube, ich werde einfach einen "puren" Zuckerrübenlikör daraus machen.

Re: Zuckerrübenlikör 2018

Verfasst: 10 April 2018 16:38
von Nathea
Auja, das klingt spannend! Ich liebe Zuckerrübensaft, habe ihn bisher aber noch nicht mit Wein in Verbindung gebracht.

Bitte berichte unbedingt, wie er sich entwickelt!

Viele Grüße,
Sylvia

Re: Zuckerrübenlikör 2018

Verfasst: 10 April 2018 17:29
von Igzorn
Ich finde die Idee mit dem Limoncello brilliant!

Re: Zuckerrübenlikör 2018

Verfasst: 10 April 2018 23:57
von Kirschwein
also hab heute nochmal ne Probe von dem noch gärenden Ansatz probiert mit verschiedenen Zuckergehalten.

Trocken oder halbtrocken schmeckt es irgendwie wirklich etwas seltsam und undefinierbar, und die bisherigen Berichte die man im Netz zu Zuckerrübenwein lesen kann werden nachvollziehbar. Nicht unbedingt ein abstoßender Geschmack, aber nichts wovon man sich wirklich gern mehrere Gläschen einschenken würde. Einfach nix, was einen wirklich vom Hocker haut.

ABER: gut aufgesüßt mit einer ordentlichen Portion Zuckerrübensirup ist es echt eine leckere Sache. Je mehr Sirup man rein tut, desto ansprechender wird der Geschmack. Ob's jemandem an sich schmeckt, steht und fällt dann natürlich immer noch damit, ob man den Geschmack von Zuckerrübensirup an sich mag.

Ich hatte heute übrigens Besuch und hab zwei Leute probieren lassen, und die haben beide gesagt, der Geschmack erinnert an Pflaumenwein.

Wenn das ganze irgendwann fertig geklärt und ggfs. geschönt ist, dann dürfte dieser Likörwein in etwa so eine Farbe haben wie brauner Rum. Ob das eher ansprechend oder abstoßend ist, weiß ich nicht. Aber da der Wein ja um die 20 Prozent haben wird, wird er eh nicht mehr ganz so viel mit einem normalen Fruchtwein zu tun haben.

Was die Säure angeht: anscheinend sollte ein Zuckerrübenwein eher zurückhaltend aufgesäuert werden. So rein überschlagsmäßig dürften meine vier säuerlichen Äpfel die ich zum Gärstart reingerieben habe um die 3-4 g/l Gesamtsäure mitgebracht haben. Dann hat das ganze vielleicht durch die Gärung momentan noch zusätzlich 1-2 g/l Säure durch das CO2, also maximal insgesamt 4-5 g/l. Zuckerrübensirup bringt wie ich oben schon geschrieben hab durchaus ein bisschen Gerbstoffe mit, obwohl diese bei acht Bechern Sirup auf 10 Liter Wasser deutlich milder ausfallen als z.B. bei Quittenwein oder anderen gerbstofflastigen Obstsorten. Bereits jetzt ist mein Geschmackseindruck von dem Ansatz (mit momentan um die 10% Alkohol), dass es nicht sehr viel mehr Säure sein darf. Daher sollte selbst bei 20 Prozent Alkoholgehalt der Gesamtsäuregehalt wohl eher bei 6 g/l liegen.

Re: Zuckerrübenlikör 2018

Verfasst: 11 April 2018 09:35
von Metinchen
Die Säure kannst Du zum Gärende/vor dem Abfüllen immer noch final einstellen. Vielleicht wäre es interessant in einer fest definierten Menge Wein mal verschiedene Säuremengen auszuprobieren. Also zum Beispiel einen halben Liter Wein nehmen und immer mal für 1g aufsäuern. So kommst Du dem was Dir schmeckt am nächsten.

Re: Zuckerrübenlikör 2018

Verfasst: 11 April 2018 17:41
von Kirschwein
Werd ich tun. Aber wie gesagt, auch falls es jemand mal nachmachen möchte: dies scheint ein Wein zu sein, dem etwas weniger Säure gut bekommt.

Re: Zuckerrübenlikör 2018

Verfasst: 14 Juni 2018 16:40
von Kirschwein
So, inzwischen ist ja wieder einige Zeit vergangen.

Der Jungwein reift nun im Keller vor sich hin und ich plane, ihn in etwa Ende des Jahres (zur neuen Zuckerrüben-Saison ;) ) zu einem Likörwein mit ca. 18-20% vol. aufzuspriten. Der Zuckergehalt wird dann dementsprechend auf lieblich bis süß eingestellt, und als Säuregehalt scheint in etwa 6-7 g/l angemessen, eben da die Zuckerrübe doch ein paar Gerbstoffe mitbringt (wenn auch nicht so viele wie andere Früchte), weshalb man mit der Aufsäuerung vielleicht etwas vorsichtig sein sollte.

Ansonsten erinnert der Geschmack immer noch an guten Pflaumenwein. Einen "Oxidationsgeschmack" oder so kann ich nicht feststellen. Die Farbe ist in etwa braun bis rotbraun, was natürlich schon ein wenig an umgekippten Wein erinnert. Aber ich glaube, bei nem Likörwein ist das dann wieder weniger schlimm. Gibt ja auch Lakritzlikör, und der ist auch so ca. schwarzbraun von der Farbe her... ;)

Was die Klärung angeht, da bin ich mir noch uneins. Als ich den Wein von der Hefe abgezogen hab, da war er noch sehr trüb. Und der Sirup bringt jede Menge Trübstoffe mit. Jetzt nach etwas über einem Monat im Keller scheint der Wein sich langsam sichtbar selbst zu klären. Mal schauen, was draus wird. Am Ende werde ich ja wieder mit Zuckerrübensirup aufzuckern und somit wieder neue Trübstoffe in den Wein einbringen. Wahrscheinlich werd ich es dann so machen, dass ich den Wein aufzuckere und aufsprite, und dann danach versuche, ob ich ihn mit Gelatine geklärt kriege. Meine Erfahrung ist, dass die Steril-Filterschichten meiner Minijet ziemlich schnell verstopfen, wenn man einen Wein mit Resttrübung filtert. Solche feinen Trübungen gehen nach meiner Erfahrung auch nicht raus indem man vorher mit den mittel feinen Filterschichten filtert.

Ich bin nach wie vor von diesem "Projekt" überzeugt und finde, mein Ansatz hat das Zeug dazu, ein sehr leckerer Likörwein zu werden... :)

Re: Zuckerrübenlikör 2018

Verfasst: 14 Juni 2018 22:23
von Fruchtweinkeller
Je süßer, desto langwieriger wird es mit der Selbstklärung.