Apfelwein zweiter Versuch

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diskus1950
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Apfelwein zweiter Versuch

Beitrag von diskus1950 »

Hallo miteinander!
Ich bin Martin, Rentner und keltere das zweite mal Wein aus Apfelsaft. Das erste mal völlig unbedarft, nach schwachen Erinnerungen an meinen Großvater. Vor zwei Jahren habe ich den kalt gepreßten Saft ohne jegliche Zugabe von Hefe und Zucker in Glasballons eingefüllt, Gärröhrchen drauf und fertig. Nach etwa 4 Wo. den halbfertigen Wein vom Bodensatz abgezogen und erneut in die gereinigten Ballons mit Gärröhrchen eingefüllt - wieder ohne jegliche Zusätze. Nach weiteren ca. 4 Wo. war der Wein sehr klar und hatte eine angenehme hellgelbe Färbung. Ich habe weder Zucker- noch Alkoholgehalt gemessen und den Wein in Flaschen abgefüllt und verkorkt. Mir selbst und meinen Bekannten schmeckte er recht gut und ich war mit dem Ergebnis rundum zufrieden. Ich liebe herben Wein und mag Restsüße nicht so gerne.
Vor 10 Tagen habe ich erneut kalt gepressten Apfelsaft in Glasballons abgefüllt, diesmal allerdings mit Flüssighefe (Portwein) versetzt. Ich habe nur mäßig warme Räume (etwa 20 Grad C) und will den Gärprozess durch die Hefe unterstützen. Zucker habe ich wieder nicht zugesetzt. Nach 3 Tagen stürmischer Gärung war die Schaumbildung beendet und der Gärprozess läuft jetzt wesentlich langsamer ab (etwa alle 4-6 Sek. blubbert es in den Gärröhrchen). Jetzt möchte ich so lange warten bis die Gärung vollständig beendet ist, und keine Blasen mehr gebildet werden. Danach wollte ich den Wein abziehen (ohne Bodensatz) und die Weinballons säubern. Anschließend den halbfertigen Wein wieder in die gereinigten Ballons, Gärröhrchen drauf und warten bis die Nachgärung abgeschlossen ist. Danach wieder abziehen, Ballons reinigen, erneut umfüllen und so lange stehen lassen, bis der Wein schön klar geworden ist.
Nun zu meinen Fragen:
- wie lange dauert es erfahrungsgemäß, bis die erste Gärung beendet ist? Nach erst 10 - 11 Tagen scheint mir der Prozess schon jetzt sehr verlangsamt
und vielleicht bald beendet.
- Ist eine Zuckerzugabe bei der zweiten Abfüllung notwendig? Ich habe Bedenken, daß der Wein Restsüße behält. Habe aber an verschiedenen Stellen
gelesen, daß Zucker zugesetzt werden muß? Wenn ja wieviel je Ltr.?
- Welche min. Raumtemperatur ist für eine sachgerechte Gärung unbedingt erforderlich?

Wie ist eure Meinung dazu und herzlichen Dank für eure Antworten
willkomm2000
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Re: Apfelwein zweiter Versuch

Beitrag von willkomm2000 »

hallo diskurs 1950,

wenn du keinen zucker zusetzt wird die gärung relativ schnell beendet sein m.e.. v.a. wenn du portwein-hefe verwendest da wird nach max. 2 wochen nix mehr los sein mit gären, eher schon früher... du erreichtst na+türlich max ca. 6 % alkohol bei gesschätzten max 50 oechsle deiner äpfel. über restsüsse brauchst du dir da keine gedanken machen. die portwein-heife kann eher 15-16 %, die knackt das bisschen zucker natürlich locker und schnell weg... du erhälst natürlich so eher klassicchen äpplewoi mit wenig alkohol und knochentrocken..wenn du das magst, kannst du das nach der gärung spundvoll zum klären eher kühl stellen...hier machen wir eher eher apfelwein, der eher > 12 % alkohol enthält.. dafür musst du ordentlich zucker zuführen. lies dir mal das zucker-kapitel auf der homepage durch. anschliessend oder besser vorher musst du dir gedanken über die stabilisierung und die mögliche restsüsse machen... aber du kannst das auch bei deinem low-alc-stöffchen belassen. schmeckt mir persönlich aber nicht....
gruss aus ostwestfalen
klaus
Markus_K
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Re: Apfelwein zweiter Versuch

Beitrag von Markus_K »

Hi Martin,

Dass du eine Reinzuchthefe verwendet hast ist schonmal gut.

Etwas, das mir jetzt beim Lesen aufgefallen ist:
Das Thema Erstgärung und Zweitgärung gehst du etwas falsch an.
Eine Zweitgärung ist nach dem Abziehen vom Bodensatz nach Möglichkeit zu vermeiden.
Deine Gärung dauert zo lange bis der Zucker verbraucht ist (das kann man nur durch Geschmacksproben ermitteln).
Dann wäre der Zeitpunkt mit einem Vinometer den Alkoholgehalt zu messen.
Wenn du jetzt mehr Alkohol möchtest kannst du Nachzuckern, wie das Klaus auch schon geschrieben hat, indem du grob errechnest wie viel Zucker du zugeben musst um deinen gewünschten Alkoholgehalt zu erreichen.
(Nachgezuckert wird immer ohne vom Bodensatz abzuziehen. Du nimmst dem Ansatz sonst den Großteil der aktiven Hefen und dann riskierst du eine Gärstockung).
Ob mit Nachzuckern oder ohne, solltest du erst vom Bodensatz abziehen, wenn die Gärung beendet ist. Das ist, wenn die Restsüße entweder über Wochen stabil ist (Wein mit hohem Alkoholgehalt nach Nachzuckermethode), oder wenn der Wein sauer ist und keine Restsüße mehr hat und er dir so zusagt.
Dann beginnt die Klärung in einem sauberen Ballon mit Gärspung, möglichst voll befüllt (spundvoll).

Wenn du Nachzuckerst, dann rechne mit 20,5g Zucker je Liter für 1%Vol Alkohol, das du erhöhen möchtest. (Siehe Homepage Kapitel Zucker und Nachzuckermethode)
Beispiel: Ein 20l Ansatz soll um 3% Vol mehr Alkohol bekommen = 20,5g/l Zucker * 3%Vol * 20l Ansatzgröße = 1,23kg Zucker
Die Mengen die du zugibst nimmt gegen Ende ab, damit es deine Hefen leichter haben. (Nachzuckermethode lesen)

20°C sollte funktionieren, schneller geht es bei höherer Raumthemperatur. Das ist etwas von der Heferasse abhängig und da findest du normal Infos vom Hersteller deiner Hefe. Viele hier stellen ihre Ballons einfach irgendwo in die Wohnung. Zu starke Schwankungen solltest du jedoch vemeiden.

Drück mal oben auf das Bild vom Fruchtweinkeller und lies dich da etwas ein, da findest du alle nötigen Infos mit ausführlicher Erklärung.

Gruß
Markus
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JasonOgg
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Re: Apfelwein zweiter Versuch

Beitrag von JasonOgg »

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen, bis auf eine kleine Klugscheißerei :pfeif:
Markus_K hat geschrieben: 14 Oktober 2021 10:58 ... oder wenn der Wein sauer ist und keine Restsüße mehr hat und er dir so zusagt ...
... und keine Gäraktivität mehr festzustellen ist, also keine Blubbs mehr bzw. der Pegel im Gärröhrchen geht eher rückwärts (Barometereffekt)
Je weniger Zucker im Ansatz, desto geringer die Gäraktivität. Ziehst du zu früh ab, dann bekommt die Hefe durch Umfüllen und Sauerstoffeintrag noch mal einen Schubs und regt sich wieder. Solange das im Klärballon stattfindet ist das aber unkritisch. Ein wenig kann man dem vorbeugen, wenn man vor dem abziehen schwefelt, durchschüttelt und nochmal eine Woche stehen läßt.

Und noch etwas Klugscheißerei:

Die Nachzuckerei muss nicht auf die Nachkommastelle exakt sein. Nur halt langsam an die Alkoholtoleranzgrenze herantasten, damit nicht zu viel Zucker drin ist.

Mein Wein gärt bei 18°C mit einer Rotweinhefe (Pinotype) zwar verhaltener als bei Zimmertemperatur, aber ausreichend vor sich hin.

Aber eigentlich hat Markus schon alles gesagt.
„DENK DARÜBER NICHT ALS STERBEN", sagte der Tod.
„DENK EINFACH DARAN, DASS DU FRÜHER GEHST, UM DEM ANSTURM AUSZUWEICHEN.“

Sir Terry Pratchett 1948-2015
willi2000
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Re: Apfelwein zweiter Versuch

Beitrag von willi2000 »

diskus1950 hat geschrieben: 13 Oktober 2021 21:58 Vor zwei Jahren habe ich den kalt gepreßten Saft ohne jegliche Zugabe von Hefe und Zucker in Glasballons eingefüllt, Gärröhrchen drauf und fertig. Nach etwa 4 Wo. den halbfertigen Wein vom Bodensatz abgezogen und erneut in die gereinigten Ballons mit Gärröhrchen eingefüllt - wieder ohne jegliche Zusätze. Nach weiteren ca. 4 Wo. war der Wein sehr klar und hatte eine angenehme hellgelbe Färbung. Ich habe weder Zucker- noch Alkoholgehalt gemessen und den Wein in Flaschen abgefüllt und verkorkt. Mir selbst und meinen Bekannten schmeckte er recht gut und ich war mit dem Ergebnis rundum zufrieden. Ich liebe herben Wein und mag Restsüße nicht so gerne.
Und, warum bist du nicht dabei geblieben, wenn doch alles geklappt hat und das Ergebnis gut war?

Ich mache meinen Ebbelwoi schon immer nach Art der Großväter und hatte noch nie Probleme und bin immer zufrieden damit.
Der Geschmack ist bei einer Spontangärung intensiver und vielschichtiger als bei der hier im Forum bevorzugten halbindustriellen Herstellungsweise. Da könnte ich ja gleich Possmann trinken.

Schobbe,
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Hopp, Hopp, Hopp, Schoppe in de Kopp.
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Re: Apfelwein zweiter Versuch

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Wenn bei dir eine robuste Hefepopulation haust die tut was sie soll spricht auch nichts dagegen. Hat aber nicht jeder, und hier gibt es auch Berichte wo eine Spontangärung nicht geklappt hat.
90% of everything is crap... Except crap. 100% of crap is crap.
(Too much coffee man)

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Re: Apfelwein zweiter Versuch

Beitrag von willkomm2000 »

willi2000 hat geschrieben: 14 Oktober 2021 17:09
Und, warum bist du nicht dabei geblieben, wenn doch alles geklappt hat und das Ergebnis gut war?

Ich mache meinen Ebbelwoi schon immer nach Art der Großväter und hatte noch nie Probleme und bin immer zufrieden damit.
Der Geschmack ist bei einer Spontangärung intensiver und vielschichtiger als bei der hier im Forum bevorzugten halbindustriellen Herstellungsweise. Da könnte ich ja gleich Possmann trinken.

Schobbe,
wie gesagt, muss man sich (vorher) überlegen was man will. jeder jeck und jeder geschmack ist anders.. ich werde weder mit dem spontangegärten ebbelwoi noch mit dem possmann-industrieprodukt warm.. hab ich alles ausprobiert. da bleib ich lieber bei der "halb-industriellen"-produktion mit reinzuchthefe, filterung und ordentlich alkohol. jeder jeck ist aber anders.
gruß aus ostwestfalen
klaus
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Re: Apfelwein zweiter Versuch

Beitrag von willi2000 »

Ja, für guten Ebbelwoi mittel Spontangärung muss man natürlich gebürtiger Hesse und Ebbelwoigeschworener sein;-)

Ein guter, spontanvergorener Ebbelwoi schmeckt halt intensiver, das ist halt nicht jedermanns Geschmack.

Entscheidend ist vor allem das Ausgangsmaterial, wenn man eine guten Ebbelwoi machen will. Mit Tütensaft und Tafeläpfeln wird das nix. Man braucht die alten Mostsorten von einer Streuobstwiese, die vollreif vom Baum geschüttelt werden. Beim Fallen auf den Boden infiziert sich das Obst mit der Hefe und den ganzen anderen Mikroorganismen. Auch die Insekten, die sich am Obst vergreifen, wie Fruchtfliegen, Bienen, Wespen und auch Vögel infizieren das Obst. Dazu kommt dann noch die Mosterei und bestimmt auch noch die Fässer, wenn sie nicht, wie häufig hier beschrieben, desinfiziert wurden. Bei mir wird nur mit Wasser gereinigt.

Ich sehe den Gäransatz gerne als Ökosystem, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, setzt sich die Hefe immer durch.
Man misst zwar gerne Zucker und Säure, das Entscheidende für einen guten Ebbelwoi jedoch ist der Gerbstoffgehalt, und den bekommt man halt nur durch die entsprechenden Mostapfelsorten und/oder auch durch Zusatz von gerbstoffreichem Obstsorten wie Schlehe, Mostbirne, Speierling, Mispel oder Quitte ( gibts im Forum ne schöne Auflistung für).

Wenn man das richtige Ausgangsmaterial hat, funktioniert auch eine Spontangärung.

Schobbe,
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diskus1950
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Re: Apfelwein zweiter Versuch

Beitrag von diskus1950 »

Hallöchen an alle Freunde des Ebbelwoi ! Und HERZLICHEN DANK für die zahlreichen und vor allem hilfreichen Antworten. Ich denke, hier in dieser Truppe bin ich voll richtig. Und ich überlege mir jetzt, ob ich doch "nachzuckere". "Willkomm2000" hat recht; die Gährung verläuft jetzt schon sehr langsam und dürfte, ohne weiteren Eingriff, in den nächsten Tagen beendet sein. Sehr hilfreich auch die Antwort von "Markus_K". Da ich drei Ballons mit je 15 Ltr. Inhalt habe, werde ich einen oder zwei als "Test" nachzuckern und bin jetzt schon auf das Ergebnis gespannt. Auch die Antwort von "willi2000" find ich prima. Ja, ich lege Wert auf gut gereifte Äpfel. Mein Apfelbaum, Sorte "Carola" - DDR-Züchtung aus den 60-er Jahren, spendiert sehr saftige und wohlschmeckende Früchte. Gespritzt wird nicht, alles naturbelassen. So, jetzt les ich mich erst mal in die "Nachzuckerung" ein. Grüße an alle. Martin
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