Kriterien fürs Abpressen

schreberpeter
100 Liter Wein
100 Liter Wein
Beiträge: 247
Registriert: 18 April 2005 00:00

Kriterien fürs Abpressen

Beitrag von schreberpeter »

Letzten Sonntag habe ich den Bannanenwein angesetzt. Also wär' jetzt diesen Sonntag bis spätenstens nächsten Sonntag das Abpressen dran. Ziel der Maischegärung ist - wenn ichs richtig verstanden habe - möglichst viel Aroma, Saft, Farbstoff usw. auch aus widerborstigen Früchten rauszuholen. Das Abpressen selbst verunreinigt den Wein (weil ich mit meinen unegalen Händen die Maische im Presssack presse und den jungen Wein in unegale Behältnisse laufen lasse. Also sollte das passieren, wenn schon ordentlich Alkohol entstanden ist (der desinfiziert). Nach zwei Wochen sind die Früchte so ausgelaugt, dass länger warten keinen Sinn macht.

Was wären denn jetzt Entscheidungskriterien fürs Abpressen?

z. B. Die Früchte sehen schon reichlich ausgelutscht aus?
Oder: Die Heftigkeit der Gärung läßt nach?
Benutzeravatar
fibroin
7500 Liter Wein
7500 Liter Wein
Beiträge: 9840
Registriert: 25 Mai 2004 00:00

Kriterien fürs Abpressen

Beitrag von fibroin »

Schreberpeter, du mußt so sauber wie möglich arbeíten. Da du nicht absolut steril arbeiten kannst, mußt du die günstigste Lösung suchen.

Bananenwein habe ich im Preßbeutel ausgepresst. Dazu werden die Hände gut mit Seife gewaschen und abgespült. Ebenfalls die Fingernägel gereinigt. Das muß aber auch genügen. Der Wein kommt beim Abpressen zwangsläufig mit Luft in Berührung. Das ist auch zu verkraften. Machst du ja nich täglich. Der ausgepresste Wein läuft bei mir durch einen großen Tricher in den nächsten Behälter, der dann sofort wieder mit Gärverschluß verschlossen wird. Das hält der Wein aus. 8-)

Auspressen kannst du nach ein- bis zwei Wochen, deine Entscheidung. :schlecht:

Wie die abgepresste Bananenmaische aussieht, darüber diskutiere ich nicht. :mrgreen:
Wenn du dich wohlfühlst, mache dir keine Sorgen. Das geht wieder vorbei.
Benutzeravatar
Josef
5000 Liter Wein
5000 Liter Wein
Beiträge: 5106
Registriert: 06 Februar 2005 00:00

Kriterien fürs Abpressen

Beitrag von Josef »

Hallo,
ich habe vor 2 1/2 Wochen auch Bananenwein angesetzt, aber noch nicht abgepresst. Wie wichtig ist es eigentlich bei Bananenwein schnell abzupressen?
Ich vermute es sind ja keine Kerne oder sonst irgendwelche schädlichen Stoffe in der Maische. Weiß es aber nicht genau.
Kann mir jemand sagen ob das Abpressen zwingend notwendig ist, oder ob man fast bis zum Gärende warten kann? Desto mehr Alkohol hat sich dann ja gebildet.
Gruß Josef
Benutzeravatar
Fruchtweinkeller
Administrator
Administrator
Beiträge: 31390
Registriert: 29 März 2004 00:00
Kontaktdaten:

Kriterien fürs Abpressen

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Vermutlich ist es nicht weiter schlimm, länger mit dem Abpressen zu warten. Aber das Probenziehen und die Alkoholmessung mit dem Vinometer (für die Nachzuckermethode) werden durch den Fruchtschmock allerdings etwas erschwert. Im Idealfall (daran halten wir uns freilich auch nicht immer) nutzt man das Abpressen ja auch, um den Wein in einen Ballon mit kleinerem Steigraum zu überführen, wegen des geringeren Luftkontakts.
Man sollte darauf achten, ob sich ein kompakter Fruchtbodensatz bildet, insesondere, wenn die Gärung langsam stockt. In dem Bodensatz können die Hefen eingeschlossen werden. Dann neigen sie zur Zersetzung, was zu einem Weinfehler führen kann. Das Risiko wird durch ein rechtzeigiges Abpressen vermindert, weil man eben schon einigen Fruchtschmock los wird.
90% of everything is crap... Except crap. 100% of crap is crap.
(Too much coffee man)

The amount of energy needed to refute bullshit is an order of magnitude bigger than to produce it.
(Brandolini's law)

PMs mit Fragen werden ignoriert
Benutzeravatar
Josef
5000 Liter Wein
5000 Liter Wein
Beiträge: 5106
Registriert: 06 Februar 2005 00:00

Kriterien fürs Abpressen

Beitrag von Josef »

Hallo Andreas,
im kompakten Bodensatz neigen die Hefezellen zu Zersetzung, ist soweit klar. Problem beim Probeziehen zur Alkoholkontrolle ist auch klar. Aber wie ist es wenn der Wein täglich geschwenkt wird und sich erst kein Bodensatz bilden kann?
Die Gärung hat schon stark nachgelassen, aber er gärt noch. Sterben die Hefen bereits teilweise ab oder teilen sich die Hefen den restlichen Zucker?
Gruß Josef
Benutzeravatar
Fruchtweinkeller
Administrator
Administrator
Beiträge: 31390
Registriert: 29 März 2004 00:00
Kontaktdaten:

Kriterien fürs Abpressen

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Hi Josef,

tägliches Schwenken hilft natürlich. Aber irgenwann ist die Gärung ja zu Ende und die Restsüße ist erreicht, dann schwefelst Du und lässt die Hefe absetzen. Dann willst Du ja nicht mehr schütteln.

Noch ein paar andere Beobachtungen/Gedanken zu dem Problem: Ganz übel ist es, wenn die Hefen im Bodensatz nach einer Säurefällung mit Kalk stecken (eigene Erfahrung :sad :) . Der Bodensatz fängt ruck-zuck an zu faulen. Ich vermute, dass das Problem nicht nur wegen Zuckermangels ensteht, sondern auch wegen des Mangels an anderen Nährstoffen/Vitaminen und/oder weil die Zellen an ihren eigenen Stoffwechselprodukten (Ethanol und andere Stoffe) zugrunde gehen.
Selbst wenn nicht allzu viel Fruchtschmock im Ansatz ist geht es den Hefen, die weit oben auf dem Bodensatz sind, recht gut. Den Zellen weiter unten im Bodensatz geht es eher schlecht, sie ersticken quasi (ist nicht das richtige Wort, macht aber meinen Gedanken hoffentlich plausibel).

Das ist das eine Problem. Das andere Problem ist, dass die Hefen nicht unendlich teilungsfähig sind. Wenn sich die Hefe im Wein kräftig vermehrt hat häufen sich deshalb alte Zellen an, die sich nicht mehr teilen können. Die neigen eher zur Zersetzung. Wobei Du die alten Zellen durch das Abpressen freilich nicht los wirst.

Fazit des Ganzen: Ein spätes Abpressen schadet nicht unbedingt. Mit der Nachzuckermethode hat der Wein nach ein, zwei Wochen über 10% Alkohol, und bei der hohen Konzentration ist man vor vielen Mikroorganismen schon geschützt, die nicht in den Wein gehören aber bei der Abpressaktion hinein gelangen könnten. Ein weiterer Vorteil: Beim Abpressen gelangt natürlich eine Menge Sauerstoff in den Ansatz hinein, das lässt sich nicht verhindern. Wenn die Hefen aber noch sehr aktiv sind werden sie den Sauerstoff aber sehr schnell verbrauchen. Das tut den Hefen einerseits gut und fördert die weitere Gäraktivität, andererseits ist der Wein optimal vor Oxidation geschützt, weil der Sauerstoff eben schnell verbraucht ist. Wenn Die Gärung beim Abpressen schon komplett zu Ende ist hast Du diesen Schutz vor Oxidation nicht. Du kannst natürlich Schwefeln, aber die Schwefelreserve ist damit teilweise direkt aufgebraucht.
90% of everything is crap... Except crap. 100% of crap is crap.
(Too much coffee man)

The amount of energy needed to refute bullshit is an order of magnitude bigger than to produce it.
(Brandolini's law)

PMs mit Fragen werden ignoriert
Benutzeravatar
Josef
5000 Liter Wein
5000 Liter Wein
Beiträge: 5106
Registriert: 06 Februar 2005 00:00

Kriterien fürs Abpressen

Beitrag von Josef »

Hallo Andreas,
das klingt und ist alles logisch.
Aber das die Hefen den eingebrachten Sauerstoff wieder verbrauchen hatte ich nicht bedacht. Da macht das frühere Abpressen natürlich Sinn.
Danke für die schnelle Antwort
Gruß Josef
Benutzeravatar
Fruchtweinkeller
Administrator
Administrator
Beiträge: 31390
Registriert: 29 März 2004 00:00
Kontaktdaten:

Kriterien fürs Abpressen

Beitrag von Fruchtweinkeller »

...und ich hatte es beim ersten Posting vergessen zu erwähnen :D
90% of everything is crap... Except crap. 100% of crap is crap.
(Too much coffee man)

The amount of energy needed to refute bullshit is an order of magnitude bigger than to produce it.
(Brandolini's law)

PMs mit Fragen werden ignoriert
schreberpeter
100 Liter Wein
100 Liter Wein
Beiträge: 247
Registriert: 18 April 2005 00:00

Kriterien fürs Abpressen

Beitrag von schreberpeter »

Vielen Dank an alle für die aufschlussreiche Diskussion!

Es ergibt sich für mich folgende Zusammenfassung:

1. Ziel der Maischegärung ist es, möglichst viel Aroma, Saft, Farbstoff usw. auch aus widerborstigen Früchten rauszuholen.

2. Das Abpressen muss so sauber wie möglich erfolgen (Hände waschen, Fingernägel bürsten), läßt sich aber unter häuslichen Bedingungen nicht steril durchführen. Der Wein sollte über einen großen Trichter direkt in den nächsten Ballon abgepresst werden.

3. Presse ich zu früh ab, dann ...
- ... verschenke ich Aroma, Saft, Farbstoff
- ... gibt es eine erhöhte Gefahr von Weinfehlern. Der (desinfizierend wirkende) Alkoholgehalt ist noch niedrig und die durch das Abpressen unvermeidbar eingeschleppten Keime können sich daher leichter vermehren.

4. Presse ich zu spät ab, dann ...
- ... gibt es auch eine erhöhte Gefahr von Weinfehlern. Es kann sich ein Fruchtbodensatz bilden, in dem die Hefen eingeschlossen werden. Dann neigen sie zur Zersetzung.
- ... haben die Hefen nur noch eine geringe Aktivität und können den durch das Abpressen eingeschleppten Sauerstoff nicht mehr abbauen. Der Wein ist dann einer erhöhten Oxidation ausgesetzt wodurch Geschmacksfehler entstehen können (leichter bis schwerer Sherryton, Luftton).
- ... ist das Probenziehen und die Alkoholmessung mit dem Vinometer (für die Nachzuckermethode) durch den Fruchtschmock erschwert.

Fazit: Der richtige Zeitpunkt zum Abpressen der Maische ist etwa ein bis zwei Wochen nach Ansatz. Es sollte sich bereits möglichst viel Alkohol gebildet haben, die Gärung sollte aber noch im vollen Gange sein und vor allem sollte sich noch kein Bodensatz gebildet haben.

Ausnahme: Rote Trauben werden relativ früh abgepresst, damit nicht so viele Gerbstoffe in den Wein gelangen.

Hab' ich was vergessen?

Fazit für meinen Bananenwein: Ich warte noch ein bischen! Es gibt nicht die Spur eines Bodensatzes, im Gegenteil schwebt das Feste oben (igitt, besonders die Rosinen), und der Wein gärt heftig. Soll sich doch ruhig noch ein bischen Alkohol bilden. Spätestens nächstes Wochenende sind die zwei Wochen rum und ich presse ab.

Nachtrag: Hab' gerade noch mal geschüttelt: So heftig blubberts nun auch wieder nicht mehr. Vielleicht presse ich nun doch schon morgen ab. Ach, ich weiß jetzt auch nicht :schlecht:

[Dieser Beitrag wurde am 01.05.2005 - 08:09 von schreberpeter aktualisiert]
Benutzeravatar
Fruchtweinkeller
Administrator
Administrator
Beiträge: 31390
Registriert: 29 März 2004 00:00
Kontaktdaten:

Kriterien fürs Abpressen

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Schöne Zusammenfassung :)

Noch eine kleine Ergänzung: Bei der traditionellen Rotweinherstellung presst man relativ früh ab, damit bei extrem tanninreichen Trauben nicht so viel Gerbstoff in den Wein gelangt. Die Trauben sollen dann also nicht komplett aussaften. Bei der Fruchtweinherstellung brauchen wir uns darum aber nicht kümmern.
90% of everything is crap... Except crap. 100% of crap is crap.
(Too much coffee man)

The amount of energy needed to refute bullshit is an order of magnitude bigger than to produce it.
(Brandolini's law)

PMs mit Fragen werden ignoriert
Benutzeravatar
fibroin
7500 Liter Wein
7500 Liter Wein
Beiträge: 9840
Registriert: 25 Mai 2004 00:00

Kriterien fürs Abpressen

Beitrag von fibroin »

Erhöhte Oxidation: Geschmacksfehler entstehen, leichter bis schwerer Sherryton, später Weinfehler Luftton.

Tolle Zusammenfassung, obiger Text kann noch eingefügt werden. Wir wollen ja keine Fragen offen lassen! 8-)
Wenn du dich wohlfühlst, mache dir keine Sorgen. Das geht wieder vorbei.
schreberpeter
100 Liter Wein
100 Liter Wein
Beiträge: 247
Registriert: 18 April 2005 00:00

Kriterien fürs Abpressen

Beitrag von schreberpeter »

Danke für die Blumen :)

Habe beide Ergänzungen ergänzt
Antworten

Zurück zu „Die Maischegärung“