Stockung im Gärprozess oder Weinfehler?

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BigLeblowski
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Stockung im Gärprozess oder Weinfehler?

Beitrag von BigLeblowski »

Hallo liebe Experten,

ich arbeite mich in diesem Jahr zum ersten Mal in die Herstellung von Wein ein und bin begeistert - so auch von diesen hervorragenden Seite des Fruchtweinkellers!

- Mein erster Versuch begann am 21.9. mit dem Aufsatz eines Hefestarters von "Universeller Reinhefe" aus Polen.
- Am 23.9. habe ich ca. 12 kg dunkle Weintrauben aus dem Garten geerntet, vorsichtig gequetscht und in einem NICHT vollkommen luftdicht verschlossenen Plastik-Behälter gelagert (allerdings mit Klarsichtfolie und Deckel versehen). Eine Messung ergab ca. 22-23° Brix, geplant also 12-13% Alkohol.
- Der Hefestarter ist m.E. nur wenig aktiv gewesen, am 24.9. ist die Aktivität bereits zurückgegangen, der Druck in der Flasche weniger geworden, der wenige Schaum auf der Oberfläche weniger geworden. Noch am 24.9. habe ich den Hefestarter mit der Maische in dem Eimer vermischt.
- Am 25.9. hatte ich das Gefühl, die Maische entwickelt sich gut, die Trauben sind nach oben gestiegen, beim runterdrücken waren hellroter Schaum und Bläschen gut sichtbar. Geschmack war klasse. Ich dachte nun dies könnte ich so mit 3xtäglichem Runterdrücken für 2 Wochen gehen lassen.
- Am 29.9. stellte ich bei der nächsten Geschmacksprobe fest, dass der Geschmack nicht mehr lecker war, eine nicht genießbare bittere Note und ein chemischer Alkoholgeschmack hat sich gebildet. Mangels Zeit wegen Arbeit/Familie keine Aktivität möglich.
- Am 30.9. war der Geschmack in die beschriebene Richtung noch intensiver. Die Säure-Bestimmung ergab ca. 12g/l (falls ich den Farb-Umschwung richtig interpretiert habe) und 0°Brix. Ich habe die Maische abgepresst, mit ca. 20g Zucker vermischt und in einen Glasballon mit Gärröhrchen gegeben.

Eigentlich war ich mir sicher der Wein ist schlecht geworden - ein Weinfehler ist aufgetreten, zu viel Luft, keine Schwefelung und Utensilien nicht gut genug desinfiziert.
Nachdem ich mich nun weiter eingelesen habe und auch diese Internetpräsenz gefunden habe, bleibt ein wenig Rest-Hoffnung, dass vielleicht nur der Zucker der Maische vergoren war und daher der Geschmack nicht genießbar war? Heute hat sich im Glasballon eine hellrote Bläschen-Schicht auf dem Wein gebildet und das Gärrörchen blubbert langsam vor sich hin.

Für morgen plane ich nun etwas Wein abzusaugen und die Probe mit so viel Zucker zu versetzen, bis sich hoffentlich ein annehmbarer Geschmack entwickelt. Wenn das klappt, dann hat es sich nur um einen Gärstopp gehandelt? Wenn das dann immer noch nicht schmackhaft wird, handelt es sich um einen Weinfehler?

Falls ihr mir Ratschläge geben könnt wäre ich dankbar. Bei der Betrachtung der Weinfehler-Erläuterungen hatte ich nicht das Gefühl, dass diese wirklich passend auf meine Situation zutreffen.

Herzlichen Dank und Grüße
Björn
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Josef
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Re: Stockung im Gärprozess oder Weinfehler?

Beitrag von Josef »

Herzlich Willkommen bei uns. :engel:

Ja ja, die Polnische Hefe. Da gibt es schon einige Beiträge hier im Forum, einfach mal nach suchen.
Aber bei dir scheint die Gärung ja angelaufen zu sein. Soweit schon mal gut. Einen Weinfehler kann ich aus deinen Beschreibungen erst mal nicht erkennen.
Jetzt ist die Frage was willst du letztendlich erreichen?
Vergären bis der Zucker verbraucht ist und fertig, also einen total trockenen Wein? :hmm:
Oder einen nicht komplett durchgegorenen Wein mit Restsüße? :hmm:
Oder den Wein so lange nachzuckern bis die Toleranzgrenze der Hefe erreicht ist und du einen stabilen Wein mit ca. 15-16% Alkohol hast? :hmm:

Ach ja , und die Säure solltest du auch im Auge behalten. Nach dem Abpressen noch mal genau messen und einstellen.

Und ganz wichtig, die HP lesen, da steht alles genau beschrieben.
Wie sagt unser Chef immer: Das Forum ist ein Anhängsel der HP, nicht umgekehrt. :pfeif: Was nicht heißen soll, das du jetzt keine Fragen mehr stellen sollst. ^_^
Wichtig sind für dich erst mal die Kapitel Säure und Zucker. Die studierst du erst mal und dann meldest du dich wieder. :engel:
BigLeblowski
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Re: Stockung im Gärprozess oder Weinfehler?

Beitrag von BigLeblowski »

Hallo Josef,

vielen Dank für die schnelle Reaktion!
Insbesondere durch diese Seite hier weiß ich nun, dass es noch alternative und vermutlich bessere Bezugsquellen gibt, ich habe also noch viel zu entdecken und auszuprobieren :-).
Die Seiten der HP habe ich gelesen, teilweise doppelt, ich hoffe die relevanten Infos sind gepeichert :-).

Was ich erreichen möchte ist für mich fürs erst klar: Der stabile eher trockene Wein mit hohen %en.
Folglich zuckere ich wie in der Anleitung beschrieben nach.

Ich habe heute Abend noch mal gemessen: Wieder 0° Brix und 11,5g Säure. Bei der Säure bin ich nicht sicher ab welcher Blau-Färbung abgelesen werden soll. Ab 11,5 ist die gesamte Flüssigkeit bläulich, jedoch wird sie dunkler-blau wenn ich noch mehr Blaulauge einfülle.
Den Vinometer muss ich nun noch schnell kaufen, der fehlt mir noch.

Wenn ich es richtig verstehe bedeuten die 0°Brix, dass der Zucker wieder vergoren ist. Aktuell blubbert es noch, vermutlich wird es morgen aufhören.

Die Säure muss ich reduzieren, ich hoffe das mit einfachen Mitteln zu schaffen: 1-3 g/L "automatisch" durch den Weinsteinausfall und 3 g/L mit Calciumcarbonat. 11,5 minus 4-6 führen zu 5,5-7,5 -> das könnte reichen, oder?

Ich habe eben 60g Wein abgezogen und mit 2 g Zucker gesüßt. Tatsächlich war der Geschmack weniger schlimm als vorher. Wenn ich nun die Säure reduziere ist zu erwarten, dass der Wein schmecken wird? Ich wage es ja fast nicht zu hoffen :shock:
Ist das denn normal, dass der Wein in dem Zustand so furchbar schmeckt?

So, wenn hier jetzt niemand protestiert oder lacht zuckere ich weiter bis nichts mehr vergärt, richtig?
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Re: Stockung im Gärprozess oder Weinfehler?

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Vergiss mal die Bix-Messung (Refraktometer?), das liefert bei Weinen auch nur Quark. Verlass dich auf deinen Geschmack. Bei dem Säuregehalt rollen sich dir die Fußnägel hoch wenn der Zucker vollkommen verbraucht ist. Und ja, dann schmeckt es furchtbar, das ist normal :mrgreen:

Ich mag zwar eigentlich keine Säurefällungen, aber bei dem Säuregehalt würde ich auch fällen. Optimal wäre eine Doppelsalzfällung, aber die mag ich persönlich noch weniger wegen der komplizierten Durchführung. Fälle nicht bei laufender Gärung sondern erst hinterher, und stelle den Wein dann vorher NICHT zu süß ein. Durch die Säurereduktion wird er hinterher süßer erscheinen, du musst aufpassen dass er nicht "versehentlich" zu süß wird. Also langsam und in kleinen Schritten nachsüßen bis die Alkoholtoleranzgrenze erreicht ist. Er muss dann eine deutliche, stabile Restsüße aufweisen, was auf den Gärungsendpunkt hinweist; er sollte aber eben nicht so süß sein dass er dir geschmacklich zusagt, sondern trockener.
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Josef
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Re: Stockung im Gärprozess oder Weinfehler?

Beitrag von Josef »

Fruchtweinkeller hat geschrieben: 02 Oktober 2020 23:01 und stelle den Wein dann vorher zu süß ein.

Ich denke du meinst: "und stelle den Wein dann vorher nicht zu süß ein" :pfeif:
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Re: Stockung im Gärprozess oder Weinfehler?

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Richtig, danke für den Hinweis :schlecht:
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BigLeblowski
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Re: Stockung im Gärprozess oder Weinfehler?

Beitrag von BigLeblowski »

Alles klar, danke euch, da bin ich ja mal gespannt!
BigLeblowski
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Re: Stockung im Gärprozess oder Weinfehler?

Beitrag von BigLeblowski »

Vielleicht noch 2 praktische Fragen:
- In meinem 15 L Ballon haben sich unten ca 4 cm Ablagerungen gesammelt, ich meine das ist ok bis zum Abziehen, richtig? Wenn ich nun einmal am Tag den Ballon schwenke, wie stark / lange soll ich das tun? Nur oberflächlich die Flüssigkeit oder so, dass die Ablagerungen so gut es geht umgewälzt werden?
- Mit den ca. 8 Litern in dem 15 L Ballon komme ich mit dem Weinheber nicht an die Flüssigkeit und muss daher zum Zuckern und Probieren den ganzen Stopfen abmachen, wodurch viel Sauerstoff an den Wein kommt. Ist das egal oder sollte ich schnell einen 10 L Ballon nachkaufen?
Coding
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Re: Stockung im Gärprozess oder Weinfehler?

Beitrag von Coding »

Das meiste von der Ablagerung ist vermutlich Hefe und ist völlig normal. Kräftig schwenken bis sich wieder alles verteilt hat. Du musst zum zocken und probieren den Stoffen annehmen? Ja, das ist ganz normal. Man geht nicht mit dem Schlauch durch den gärspund. Wenn da kurz Luft dran kommt ist das nicht so schlimm, so lange der Ansatz noch gärt und CO2 produziert.
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Fruchtweinkeller
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Re: Stockung im Gärprozess oder Weinfehler?

Beitrag von Fruchtweinkeller »

So isset, und zum Sauerstoff siehe auch viewtopic.php?f=85&t=1742
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