Roter Johannisbeerewein: Zuviel Oechsle + viel Alkohol + zuviel Säure

alisakristin
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Roter Johannisbeerewein: Zuviel Oechsle + viel Alkohol + zuviel Säure

Beitrag von alisakristin »

Hallo, ich hatte am 2. Juli eine Maische aus 4,5 Kg roten Johannisbeeren angesetzt, die hat dann 14 Tage sehr fleißig "gearbeitet". Dann habe ich die Maische ausgepresst und in einen neuen Gärbehälter gegeben: Alkoholgehalt ca. 7%, 30 Grad Oechsle. Dann 1 Liter Wasser / 500g Zucker aufgefüllt, jetzt 50 Grad Oechsle (Refraktometer) Geschmack: Alkoholisch, gutes Beerenaroma, leicht süß. Soweit so gut.

Nach 4 Stunden hat wieder die Gärung eingesetzt. Jetzt, 1 Monat später, gärt es kaum noch (Gärspunt blubbert alle 5 Minuten). Heute gemessen:
40 Grad Oechsle / 17% Alk. / 11g/L Säure. Dann 3 Liter Wasser zugegeben – rechn. Ergebnis: 31 Grad Oechsle / 13,2% Alk. / 8,56g/L Säure.

Der hohe Alkoholgehalt ist wohl dafür verantwortlich, dass es kaum noch gärt. Aber die 40 Grad Oechsle kann ich nicht einordnen - der Wein schmeckt SEHR SAUER (11g/L mit Blaulauge gemessen) - den Alkoholgehalt (mit Vinometer gemessen) schmeckt man gar nicht!

Was ist jetzt richtig und was ist falsch??? Was stimmt da nicht? Zuerst 50 Grad Oechsle und 7% Alkohol, 4 Wochen später 40 Grad Oechsle und 17% Alkohol !!!!

Landläufig überschlägt man ja 1 Grad Oechsle x 2,6 = Gramm Restzucker/Liter. Demnach hätte der junge Beerenwein ja 40 Oe X 2,6 = 104 g/Liter Zucker!!! Und ist quietschesauer!

Die Säure bekomme ich wohl nur durch Verdünnen mit Wasser in den Griff........

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Josef
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Re: Roter Johannisbeerewein: Zuviel Oechsle + viel Alkohol + zuviel Säure

Beitrag von Josef »

Oh oh, ich sehe hier eine Baustelle nach der anderen. ?-|
Nicht das dein Wein verloren wäre, aber du kannst mit den Messgeräten nicht richtig umgehen, bzw. du weißt nicht was man wann und warum und warum nicht messen kann.
Also wie können wir dir helfen:
Du wirst nicht drumrumkommen dir die HP anzuschauen. Da ist nämlich alles was du wissen musst erklärt. Wenn dann noch Fragen offen bleiben kannst du sie gerne stellen.

Und natürlich ein herzliches Willkommen bei uns. :engel:
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Fruchtweinkeller
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Re: Roter Johannisbeerewein: Zuviel Oechsle + viel Alkohol + zuviel Säure

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Der Tipp, die HP zu studieren, ist goldrichtig. Inhaltlich ist alles wichtig, speziell zu deiner Verwirrung:
1. Welche Messungen sind sinnvoll, welche nicht, welchen Werte sind wann Mumpitz, welche sind wann halbwegs vertrauenswürdig, welche sind genau wenn ich die Fehlerquellen ausschalte? -> Kapitel "Analytik"
2. Wann und wie stelle ich die Säure und den Restzucker ein? -> Kapitel "Säure" und "Zucker"
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Re: Roter Johannisbeerewein: Zuviel Oechsle + viel Alkohol + zuviel Säure

Beitrag von 420 »

alisakristin hat geschrieben: 18 August 2020 14:14 Die Säure bekomme ich wohl nur durch Verdünnen mit Wasser in den Griff........

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Ja, lesen, lesen und nachmals lesen.

Viel Erfolg
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alisakristin
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Re: Roter Johannisbeerewein: Zuviel Oechsle + viel Alkohol + zuviel Säure

Beitrag von alisakristin »

Ja, ich habe es gelesen und kann alle Kapitel fast (fast) auswendig. Dort stehen aber NUR PROBLEME mit den Messungen drin... und keine Lösungen. Ich bin ein "mathematisch-naturwissenschaftlich geprägter Mensch" und würde gerne zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens wissen, was und wie sich das entwickelt. Ich würde gerne frühzeitig gegensteuern, wenn sich etwas in die falsche Richtung entwickelt. Nur wie kann ich im laufenden Prozess genaue Messungen bekommen?

Die geschilderten Messergebnisse sind definitiv keine Fehlmessungen. Aber wie kann ich sie im Rahmen des Dreiecks "Alkohol/Zucker/Säure" (Kapitel Analytik) deuten? Was kann ich mehr nutzen als ein Refraktometer, ein Vinometer und eine Blaulauge-Messung? Und dabei die Erkenntnis, dass bei 17% Alkohol (die Hefe hat 21% versprochen) und 40 Grad Oechsle die Gärung einfach aufgehört hat?

Übrigens: Den Umgang mit meinen Messgeräten habe ich an fertigen Weinen (Traubenwein) erlernt und überprüft:
> Refraktometer-Messung von trockenen Weinen ergab genau die vom Winzer angegeben Restsüßen (Oe X 2,6)
> Vinometer-Messung ergab genau den angegebenen Alkoholgehalt
> Blaulaugen-Test ergab genau die Angaben des Winzers

Wann sind denn die Messungen bei Fruchtweinen genauso zuverlässig und aussagekräftig?

Und noch eine Frage: Kann ich durch Zugabe eines neuen Hefe-Nährsalz-Ansatzes (z.B. in Apfelsaft) die Gärung wieder neu starten? Oder macht das keinen Sinn? DENN: Wenn da sowieso nichts mehr gärt kann ich ja den Prozess beenden:
1. Mit Wasser verdünnen bis zum gewünschten Säuregrad
2. Zucker hinzufügen, bis die gewünschte Süße eintritt
3. Schwefeln
4. Filtern und Abfüllen

Abwarten, bis es sich geklärt hat, brauche ich nicht - ich habe eine Druck-Filteranlage.
Also: Abfüllen und die Flaschen 5 Monate liegen lassen? Oder doch das Ganze noch 3-4 Monate im Gärbehälter belassen? (Wenn ja, warum und was passiert da?)

Also - wie gesagt: Ich habe die HP seit 3 Wochen fast täglich studiert - aber zu meinen Fragen finde ich dort eher noch mehr Fragen als Antworten.

Es würde mich freuen, wenn ich das Problem mit den Roten Johannisbeeren aus dem Kopf bekäme... bald ist der Pflaumenwein dran. Und im März 2021 werde ich 60 Rebstöcke im Garten pflanzen, 30 Blauer Burgunder und 30 Regent. Daraus soll mal ein köstliches Cuvée werden.
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Josef
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Re: Roter Johannisbeerewein: Zuviel Oechsle + viel Alkohol + zuviel Säure

Beitrag von Josef »

Die Oechsle misst man nur zu Beginn. Sobald Alkohol im Spiel ist kannst du die Messungen vergessen, brauch man aber auch nicht.
Die Säure kannst du einstellen, indem du mit Wasser verdünnst. Messen kannst du auch während der Gärung, du muss nur die Kohlensäure russchütteln.
Damit verdünnst du auch den Alkoholgehalt und der Wein beginnt wieder zu gären. Also wirst du nachzuckern müssen.
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Fruchtweinkeller
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Re: Roter Johannisbeerewein: Zuviel Oechsle + viel Alkohol + zuviel Säure

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Dort stehen aber NUR PROBLEME mit den Messungen drin... und keine Lösungen.
Diesen Satz finde ich offen gesagt etwas kränkend. Wie antworte ich auf darauf adäquat? Probleme am frühen Morgen :?

1.) Als chaotisch-naturwissenschaftlich geprägter Mensch habe ich die physikalischen Grundgesetze nicht gemacht. Ich beschreibe sie nur.
2.) Die auf der HP dargestellten Lösungen sind: Weniger Messen, Pragmatismus einschalten, Nachzuckermethode.
3.) Natürlich gibt es auch professionelle Lösungen. Schicke deine Proben an ein Weinlabor, kaufe dir ein Ebullioskop, kaufe dir Gerätschaften nach Dr. Rebelein, kaufe dir ein FT-IR-Spektroskop (das ist kein blöder Spruch, man soll nicht glauben was Privatleute bei Laborauflösungen wegschleppen und in den Keller stellen).

Dazu möchte ich anmerken: All die "genauen" Messungen machen einen Wein nicht ein bisschen besser.
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Re: Roter Johannisbeerewein: Zuviel Oechsle + viel Alkohol + zuviel Säure

Beitrag von alisakristin »

O.k.
@JOSEF: Vielen Dank. Das hat mich weiter gebracht.
@Fruchtweinkeller: Kränkung war überhaupt nicht beabsichtigt. Ich habe die ganzen Seiten als "Bibel" unter meinem Kopfkissen liegen!

Da ich nächstes Jahr mit Rotwein aus zum Teil eigenen Regen beginnen möchte, hatte ich mir gedacht, starten wir doch dieses Jahr mal zum Erfahrung sammeln "MIT WAS EINFACHEM...": Roten Johannisbeeren! Mein Opa hat jedes Jahr 20 Liter Brombeerwein und 20 Liter Johannesbeerwein gemacht. Er hatte 2 große Gärballons mit selbstgebogenen Gärspunten (aus Kupferröhrchen). Und Hefe und Antigeliermittel (damals schon). Mehr nicht. Dann hat das 5 Monate geblubbert und fertig.

ALSO: So schwer kann das ja nicht sein, wenn der Opa das ohne großes Theater geschafft hat.

Nun habe ich aber den extrem hohen Säuregehalt der Johannisbeeren grob unterschätzt. Je weiter der junge Wein gärt, desto saurer wird er. Und... (ja ich weiß... Kapitel 6 Analytik) ich war bestrebt, das Gelingen des Vorhabens nicht dem Zufall zu überlassen und bereit, zumindest wöchentlich eine Probe zu entnehmen und herauszufinden, was sich seit letzter Woche verändert hat (Zucker-Alkohol-Säure) und ob ich die Natur ggf. KORRIGIEREN muss. Damit bloß nichts schiefgeht!!! In 5 Monaten möchte ich einen leichten, trockenen Wein haben. Die Fruchtweine von meinem Opa waren immer Süß und sehr (sehr) alkoholisch - das habe ich schon als 10-jähriger erfahren. Mein Ziel ist: 10-11% Alkohol, 7g/L. Säure und 7-8 g/L "Restsüße". Wird wohl nicht so einfach... (Wenn man den vielen YT-Videos dazu glauben darf, doch sehr einfach...)
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Re: Roter Johannisbeerewein: Zuviel Oechsle + viel Alkohol + zuviel Säure

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Auf YT-Videos reagieren ich hochgradig allergisch...
Auch wenn du filtern willst: Aufgrund der Nachgärungsproblematik wirst du bei einem niederprozentigem Wein schon sehr sorgfältig arbeiten damit Nachgärungen ausgeschlossen sind. Ich empfehle gerade Anfängern, sich zuerst an hochprozentigem Stoff zu versuchen, das ist schlicht einfacher. Und da Alkohol ein Geschmacksträger ist schmecken die oft auch noch richtig gut 8-)
alisakristin hat geschrieben: Je weiter der junge Wein gärt, desto saurer wird er.
Präzise ausgedrückt: Er schmeckt dir saurer, der Säuregehalt sollte sich nicht mehr wesentlich ändern.
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Re: Roter Johannisbeerewein: Zuviel Oechsle + viel Alkohol + zuviel Säure

Beitrag von alisakristin »

Ich hatte gedacht, den Wein gut 5 Monate im Fass zu lassen, bevor ich abfülle - Füllen Mitte Dezember. Da sollte doch die Gärung endgültig beendet sein. Oder?
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Re: Roter Johannisbeerewein: Zuviel Oechsle + viel Alkohol + zuviel Säure

Beitrag von alisakristin »

Besser gesagt: Ich möchte den Wein nach Gär-Ende und richtiger Restsüße filtern und in ein geschwefeltes Holzfass füllen, dort soll er 5 Monate liegen. Macht das Sinn? Und wie viel Luftanteil darf denn in so einem Fass sein, ohne dass der Wein oxydiert? Oder muss es "randvoll" gefüllt werden? Habe ca. 20 Liter Wein und ein 25-Liter-Fass.
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Josef
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Re: Roter Johannisbeerewein: Zuviel Oechsle + viel Alkohol + zuviel Säure

Beitrag von Josef »

Wenn du den Cherry Geschmack am Wein magst, kannst du das so machen. Mir sagen die oxydierten Weine nicht so zu. Ist aber Geschmacksache.
Aber wenn du den Wein im Fass lagern möchtest, kannst du ja öfter mal probieren, wie er sich entwickelt und nicht nach 5Monaten das erste mal wieder öffnen. Je nach dem was du für ein Fass benutzt, ist das nicht unbedingt eine Bereicherung.
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