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Citronensäure & Butterton

Verfasst: 16 November 2015 22:19
von openminded
Hallo liebe Weinfreude,

ich bin mehr oder weniger zufällig über den Wikipedia-Eintrag zur Säure im Wein gestolpert und wurde an einer Stelle etwas stutzig. Es heißt da beim Abschnitt zur Citronensäure:
"Die Zugabe von Citronensäure erfolgt erst nach der alkoholischen Gärung im mikrobiologisch stabilen Wein, da die Hefe während der Gärung Citronensäure in die unerwünschte Essigsäure Diacetyl (Butterton) verstoffwechselt."
:shock:

An anderer Stelle, ich weiß nichtmehr genau wo, hieß es, dass Milch- und Essigsäurebaktieren den Butterton hervorrufen, nicht aber die Hefe. Die beiden Bakterien wollen wir ja ohnehin lieber nicht übermäßig im Ansatz haben. Ist hier der Wiki-Eintrag bezüglich Hefe falsch oder ...?

Auf der FWK-Homepage steht zur Citronensäure:
"[...]Zitronen- und die Apfelsäure. Beide können von Hefen während der Gärung abgebaut werden zu Ethanol und Kohlendioxid. In der Praxis vergären Reinzuchthefen aber nur einen sehr geringen Anteil dieser Säuren. Wenn überhaupt geschieht dies vor allem in der ersten Gärphase, wenn sich die Hefezellen noch vermehren. Meist halten sich bei der Gärung abgebaute Fruchtsäuren und als Gärungsnebenprodukte entstehenden Säuren (z.B. Milchsäure, Essigsäure) in etwa die Waage."

Soweit so gut. Citronensäure, die aus den Früchten oder dem Saft im Ansatz ist, ist sowieso unweigerlich da und muss akzeptiert werden. Meine Überlegung geht eher dahin, ob es sinnvoll ist bei Met oder sehr säurearmen Weinen, die nicht allein durch Milchsäure auf den angepeilten Wert gebracht werden können, mit der Zugabe von Citronensäure bis nach der Gärung zu warten.

Vermutlich ist die ganze Thematik eher akademischer Natur, aber wir sind ja immer bestrebt, unser Handwerk zu perfektionieren.

Also, kann jemand Licht ins Dunkel bringen? :hmm:


Grüße,

Sebastian

Re: Citronensäure & Butterton

Verfasst: 16 November 2015 23:23
von Fruchtweinkeller
Ja, auch Hefen bilden Diacetyl, das ist auch bei den Brauern ein Thema. Bei Diacetylbildung aus Zitronensäure habe ich aber eher Milchsäurebakterien auf dem Radar. So oder so: Ich habe schon viele Frucht- und Honigweine gemacht, die teils viel Zitronensäure enthalten haben, und ich hatte nicht einmal einen handfesten Buttergeschmack ;) Ich behaupte einfach mal: Nimm eine gute Weinhefe und hätschel und tätschel sie, dann passt's auch mit dem Diacetyl :)

Hauptquelle für Diacetyl sind sicher die Milchsäurebakterien, und die werden teils ja gezielt eingesetzt zur Entsäuerung. Weine mit BSA haben eigentlich immer einen höheren Diactylgehalt, und womöglich addieren sich hier die von der Hefe und den Bakterien gebildeten Mengen soweit dass es unangenehm wird. Aber, wie gesagt, bei nicht-Traubenweinen (wo man ohnehin keine BSA durchführt) habe ich das noch nie erlebt.

Re: Citronensäure & Butterton

Verfasst: 16 November 2015 23:59
von openminded
Ah, geht ja schneller wie das Brezelbacken hier.
Fruchtweinkeller hat geschrieben:Nimm eine gute Weinhefe und hätschel und tätschel sie, dann passt's auch mit dem Diacetyl :)
Dem Rat werde ich folgen. Im Zweifel ist hier die praktische Erfahrung sicherlich gewinnbringender als irgendwelche theoretischen Abhandlungen.

Ich meine auch gehört zu haben, dass die kleinen Mengen Diacetyl, die irgendwie immer im Wein vorkommen, durchaus für die Aromen-Komplexität gewünscht sind. Und an Tiefe und Komplexität hat es mir bei meinen bisherigen Versuchen ohnehin etwas gemangelt... Ich arbeite dran. :pfeif:

Re: Citronensäure & Butterton

Verfasst: 17 November 2015 00:09
von Fruchtweinkeller
openminded hat geschrieben: Ich meine auch gehört zu haben, dass die kleinen Mengen Diacetyl, die irgendwie immer im Wein vorkommen, durchaus für die Aromen-Komplexität gewünscht sind.
Das hat man bei der Weinbereitung öfters.