Wein mit hoher Restsüße herstellen

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Palatinum
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Wein mit hoher Restsüße herstellen

Beitrag von Palatinum »

Hallo zusammen,

ich bin seit längerem stiller Mitleser hier im Forum und im Fruchtweinkeller. Wie ihr euch sicherlich schon denken könnt, trete ich hier wegen einer Frage - oder eher einer Rückversicherung bei denen die es können - in Aktion.

Ich habe hier den Eindruck, dass viele entweder
  1. den Alkoholgehalt über den Zucker einstellen und die Hefe bei erreichen des gewünschten Alkoholgehalts einfach verhungern lassen.
  2. ihren Wein mit so viel Zucker ausstatten (z.B. bei der Nachzuckermethode), dass die Hefe bis zu ihrer maximalen Alkoholtoleranz geht.
Mit Methode 1 ist nach meinem Verständnis aber nur der Ausbau von extrem trockenen Weinen möglich, da eine Zuckerzugabe ja sofort zu einer weiteren Gärung führen würde. Methode 2 führt meiner Meinung nach aber zu zu hohen Alkoholmengen im Getränk.

Ich persönlich bin ein großer Fan von fruchtigen Weinen mit relativ viel Restzucker. Bei Traubenwein liebe ich z.B. Eisweine. Diese Weine haben ja meist einen recht niedrigen Alkoholgehalt, aber dafür ziemlich viel Restzucker. (z.B. 9% Alk., 70 g/l Restsüße, 7 g/l Gesamtsäure)

Fruchtweine mit Werten in diesen Größenordnungen würde ich gerne selbst herstellen. Wie würde ich hierzu am besten vorgehen?

Ich hatte mir das für einen Wein mit 9% Alkoholgehalt so überlegt:
  • Most ansetzen und dabei den Öchlsegrad des Mosts messen
  • Berechnen wie viel Zucker die Hefe für 9% Alkohol benötigt
  • Zusätzlichen Zucker hinzugeben, bis die gewünschte Restzuckermenge erreicht wird
  • Gären lassen und dabei kontinuierlich den Alkoholgehalt messen. Wenn der angestrebte Alkoholgehalt deutlich unter der Toleranzgrenze der Hefe liegt, so müsste das vergären bis zum angestrebten Alkoholgehalt doch relativ schnell gehen, oder?
Wenn nun der angestrebte Alkoholgehalt erreicht ist, kann ich den Wein dann einfach durch Zugabe von Schwefel und Filtration mit Sterilfilter stabilisieren und anschließend reifen lassen?

Eine letzte Frage: Ich arbeite mit sehr kleinen Gefäßen (2 Liter). Muss ich aufgrund der kleinen Menge noch etwas beachten, was vielleicht nicht gleich ersichtlich ist? (Außer, dass ich eine sehr genaue Waage benötige :mrgreen: )

Ich hoffe ihr könnt mir die im Text eingestreuten Fragen soweit beantworten und mir ein wenig Sicherheit bei meinen ersten Experimenten mit hohen Restsüßen geben. Vielleicht findet sich ja auch jemand, der eher süße Weine mag und solche auch schon selbst hergestellt hat.

Viele Grüße,
Palatinum
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Chesten
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Re: Wein mit hoher Restsüße herstellen

Beitrag von Chesten »

Wenn nun der angestrebte Alkoholgehalt erreicht ist, kann ich den Wein dann einfach durch Zugabe von Schwefel und Filtration mit Sterilfilter stabilisieren und anschließend reifen lassen?
Selbst wenn du bei sterilfiltern sauber arbeites kann es immer noch zur einer Nachgärung kommen.
Aber grundsätzlich ist diese Vorgehensweise möglich, wobei schwefeln nicht die Gärung unterbindet.

Bei Ansätzen von ca. 2L lohnt sich leider nicht die Filterrei, da sich bei 5L Ansätzen schon der Aufwand meiner Meinung nach nicht lohnt, da bei den ganzen nötigen Arbeitsschritten immer Wein verloren geht.
Hier findest du einen Anleitung wie man seinen ersten eigenen Wein herstellt ( Bebilderte Anleitung) :
http://www.forum.fruchtweinkeller.de/viewtopic.php?f=33&t=12175
Blackbird
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Re: Wein mit hoher Restsüße herstellen

Beitrag von Blackbird »

Hallo,

In deiner Vorgehensweise fehlt mir das Säuremanagment...

Du mußt die Säure deines Mostes bestimmen und dann entscheiden ob du verdünnen mußt, das ist halt Früchteabhängig...
Dann den Zucker ausrechnen für deine angestrebte Prozente...
wobei die wirklich nur für Weine gelten können die schnell getrunken werden, aber bei deinen Kleinstmengen zu realisieren sind....

9-10% sind bei manchen Früchten schon bei 1-2 Woche kräftigen gären vorhanden...
Du bräuchtest trotzallem aber auch dringend einen Filter, denn nach dem abziehen von der Hefe und etwas Klärzeit mußt du(um keine Flaschenbomben zu erzeugen) nach dem einstellen deiner Süße sterilfiltern.

das so ein Wein natürlich nichts ist um länger gelagert zu werden sollte dir klar sein, aber bei 2 Litern würde sich das eh nicht lohnen. Wobei von den 2 Litern wahrscheinlich je nach Frucht sowieso weniger als 1,5L "übrigbleiben, das ist eben Schwund und bei jeder Fruchtart unterschiedlich...
Meine Mindestansatzmenge sind 5 Liter, und die nehme ich schon äußerst ungern, 10L sollten es schon sein, sonst lohnt sich die ganze Filterei nicht.

Ich denke es werden hier noch etliche Aussagen kommen die dir weiterhelfen...!
Mit fränkischen Grüssen
Marco
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KommandeurMumm
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Re: Wein mit hoher Restsüße herstellen

Beitrag von KommandeurMumm »

Moin.

Zum Säuremanagement hat Blackbird ja schon etwas geschrieben.

Unterstreichen möchte ich auch nochmal, dass es nicht gerade optimal ist, derart kleine Mengen zu filtern. Du verlierst etwas Wein, wenn du von der Hefe abziehst und du verlierst noch etwas beim Filtern. Als lohnende Mindestmenge, die den Verlust und die ganze Plackerei wert ist, würde ich auch 10 Liter ansehen.

Zur Haltbarkeit: Alkoholgehalte um 10% sind schon in Ordnung, einige hier gehen genau so vor, wie du das möchtest: Zucker für einen niedrigen Alkoholgehalt zugeben und ausgären lassen. Nach der Klärphase Restsüße einstellen und steril filtern. Dir sollte dann natürlich klar sein, dass du dann noch sauberer arbeiten musst, als bei hochalkoholischen Weinen. Der Wein ist dann anfälliger für andere Schädlinge, wie z.B. Essigsäurebakterien (besonders unter 12%).

Eine andere Möglichkeit, die weniger schön aber dafür praktikabler ist, ist den Wein bis zum gewünschten Alkholgehalt ausgären zu lassen. Dann klären und ggf. schönen nach Bedarf und direkt vor dem Trinken die Süße nach Geschmack einstellen.

Grüße
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Blackface
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Re: Wein mit hoher Restsüße herstellen

Beitrag von Blackface »

Ich habe hier den Eindruck, dass viele entweder

1. den Alkoholgehalt über den Zucker einstellen und die Hefe bei erreichen des gewünschten Alkoholgehalts einfach verhungern lassen.
Eine andere Strategie ist, die Hefe nicht am Zucker sondern an etwas anderem verhungern zu lassen. Kanadier, die Eis-Cider herstellen, lassen Äpfel aus ungedüngten, alten Obstgärten gefrieren, pressen sie in halbgefrorenem Zustand bei niedrigen Umgebungstemperaturen, sodass das gefrorene Wasser nicht in den Saft gerät, der dadurch eine hohe Zuckerkonzentration hat. Durch die alten, ungedüngten Bäume hat der Saft einen geringen Gehalt an Stickstoffverbindungen, und daran verhungert die Hefe. So die Kurzfassung, soweit ich es verstanden habe.

Die Franzosen, und früher auch die Engländer, benutzen die Methode der maceration + defécation, engl. "Keeving", um süßen, klaren Saft frühzeitig von trüben stickstoffhaltigen Bestandteilen zu trennen.

Beste Grüße -- Thomas
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Fruchtweinkeller
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Re: Wein mit hoher Restsüße herstellen

Beitrag von Fruchtweinkeller »

siehe auch Eiswein... siehe erster Beitrag ;) Ja, so geht es natürlich auch. Nur die Alkoholmessung (um den optimalen Punkt zu finden wenn die Gärung beendet ist) wird schwierig, und die Hefe und anderer Schlunz werden sich womöglich nicht willig absetzten.
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Re: Wein mit hoher Restsüße herstellen

Beitrag von 420 »

Meine Weine baue ich um die 10 % Alkohol aus.

Ich nehme dann bei einer Maischegärung die ca. Liter pro Kg Frucht (z.B. siehe Kitzinger Weinbuch) und rechne hoch. Bei reinen Saftgärungen kann ich ja die OE berechnen. Und wenn dann mal ein Wein bei 9,5 oder 11,5 landet - egal.

Bezüglich der Haltbarkeit: Bis jetzt haben meine Weine so gehalten. Meine ersten Weine von 2011 die ich so ausgebaut habe, sind, soweit noch volle Flaschen da sind, alle trinkbar.

Und ohne Filtern bleiben Dir die verschiedenen Möglichkeiten, die auf der HP-Seite beschrieben sind. Natürlich besteht immer noch die Möglichkeit mit Zuckeraustauschstoffen zu arbeiten. Selber habe ich es früher auch gemacht, aber der Geschmack des Süßstoffes war auch nach Jahren (über 10) noch schmeckbar. Heute gibt es natürlich andere Süßmittel. Vielleicht ist es ein Versuch wert.

Grüße
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Blackface
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Re: Wein mit hoher Restsüße herstellen

Beitrag von Blackface »

Fruchtweinkeller hat geschrieben:siehe auch Eiswein... siehe erster Beitrag ;) Ja, so geht es natürlich auch. Nur die Alkoholmessung (um den optimalen Punkt zu finden wenn die Gärung beendet ist) wird schwierig, und die Hefe und anderer Schlunz werden sich womöglich nicht willig absetzten.
Ja, nach Eiswein wurde da u.a. auch gefragt. Dazu weiß ich nix. Mich interessiert hauptsächlich Wein aus Kernobst, vor allem Äpfeln und Quitten.

Um dem Schlunz (darunter den Hefe-Nährstoffen) beim Absetzen zu helfen, wird beim Keeving heutzutage Pektin-Methyl-Esterase und Kalziumchlorid zugesetzt. Durch die (sehr) langsam einsetzende Gärung (bei ca. 4°C) entsteht CO2, das sich an den Pektin- und Schlunzflocken ansetzt und sie aufsteigen lässt. Es bildet sich das chapeau brun (brauner, stabiler Schaum) und ein Bodensatz. Zwischen den beiden wird ein sehr klarer Saft abgezogen. Da das Pektin hier schon abgeschieden wird, ergibt sich am Ende der dann möglichst langsam geführten Gärung ein sehr klarer, süßer Cider/Cidre.

Wahrscheinlich wird in der großen Fabrik auf die Messung des Alkoholgehalts Wert gelegt, keine Ahnung. Im kleineren Maßstab reicht die Beobachtung der Abnahmerate des spezifischen Gewichts i.A. aus, um festzustellen, wann die Gärung dem Ende zugeht und abgefüllt werden muss, damit die restliche Flaschengärung noch genug CO2 produziert. Wenn es ein stiller Cider werden soll, ist das noch weniger wichtig.

Literatur in Englisch und Französisch.

Ich glaube nicht, dass die Methode einfach so auf andere Obstsorten übertragbar ist. Es ist auch kein idiotensicherer Prozess, da kann anscheinend von der Obstauswahl bis zur Temperatur viel schieflaufen: Bildergalerie: The good, the bad and the ugly.

Beste Grüße -- Thomas (der seinen Cider eh lieber ziemlich trocken mag ;) )
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Fruchtweinkeller
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Re: Wein mit hoher Restsüße herstellen

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Ja, das ist schon speziell. Und die niedrige Temperatur hilft sicherlich dass mehr Kohlensäure erhalten bleibt.

Letztlich wollte ich nur darauf hinaus dass zu viel Zucker bekanntermaßen auch verhindert dass zu viel Alkohol gebildet wird.
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