Säurebestimmung mittels Titration/Blaulauge (nur für Weinsäure geeinet?)

Vinometer, Acidometer, Oechslewaage, pH-Meter, Refraktometer usw.
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Insel_Andy
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Säurebestimmung mittels Titration/Blaulauge (nur für Weinsäure geeinet?)

Beitrag von Insel_Andy »

Hallo an alle Weinchemiker,

ich stelle mir seit einiger Zeit Essig her und titriere diesen mittels Phenolphtalein und NaOH 1 N. Die molare Masse von Essigsäure ist ca. 40g/mol

Jetzt wollte ich mich auch an Fruchtweine heranmachen und habe mich ein wenig mit den gängigen Säurebestimmungsarten auseinandergesetzt. Das Acidometer läuft mit Blaulauge, was ja nichts anderes ist als 0,53%ige Natronlauge, was wiederum 2/15 N entspricht, die ich mir selber mischen und ebenfalls mit Phenolphtalein zur Titration nutzen kann.

Wenn ich nun rückwärts rechne, warum dieses seltsame Verhältnis genommen wird, kann ich es mir glaube ich erklären. Weinsäure hat eine molare Masse von 150g/mol und gibt in wässriger Lösung 2 H3O+ ab. Wenn ich also 1 l Blaulauge verbrauche entspricht dies 2/15 mol NaOH mit denen man 1/15 mol Weinsäure neutralisieren kann. 1/15 mol entspricht wieder 150g/mol * 1/15 mol = 10g... 10g pro Liter = 1%. Damit begründet sich m.E. das krumme Verhältnis.

Nun meine Frage: wenn ich damit richtig liege, dann würde man für die Säurebestimmung immer Weinsäure als Bezugspunkt nehmen, wobei in Kirschen und anderen Früchten sicherlich andere Säuren und Säureverhältnisse liegen. Woher kommt es, dass man dennoch für die unterschiedlichen Früchte die Weinsäure als Maß für die notwendige Säure nimmt? Geschmacklich muss das doch sicher einen Unterschied machen.

Beste Grüße
Andy
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Re: Säurebestimmung mittels Titration/Blaulauge (nur für Weinsäure geeinet?)

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Vom "Säureeindruck" her ist die genaue Säurezusammensetzung irrelevant. Da zudem die genaue Säurezusammensetzung der Früchte unbekannt ist (weil hochvariabel) bietet es sich an, sich immer auf eine Referenzsäure zu beziehen, und das ist beim Wein halt die Weinsäure.
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Re: Säurebestimmung mittels Titration/Blaulauge (nur für Weinsäure geeinet?)

Beitrag von Moneysac »

Korrigiert mich, wenn ich falsch liege aber das Säureverhältnis wirkt sich doch auf den Geschmack aus? Prinzipiell steht das sogar auf der Homepage. Zitat: "Mehr als 35 ml pro 10 l Wein sollten nicht verwendet werden, da die Milchsäure in so großer Menge doch unangenehm hervorschmecken könnte." Milchsäure wird man in Früchten wohl weniger finden aber allein dieser Satz zeigt doch schon, dass es einen Unterschied machen kann. Zitronensäure hat auch einen niedrigeren PH-Wert als Milchsäure, weshalb es ebenfalls anders schmeckt.

Natürlich macht es trotzdem Sinn, sich auf eine Referenzsäure zu beziehen aber geschmacklich können Unterschiede schnell auftauchen.
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Re: Säurebestimmung mittels Titration/Blaulauge (nur für Weinsäure geeinet?)

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Deshalb habe ich auch bewusst nicht von "Säuregeschmack", sondern von "Säureeindruck" gesprochen ;) In einem kunterbunten Gemisch tun sich die Säuren erst einmal geschmacklich wenig, Wenn man extrem säurearme Weine aufpeppt ist es sicher nicht verkehrt, Säuren zu kombinieren, damit insbesondere die Milchsäure nicht hervorschmeckt. Aber das gilt ja für Fruchtweine, um die es hier thematisch geht, eher selten.
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Insel_Andy
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Re: Säurebestimmung mittels Titration/Blaulauge (nur für Weinsäure geeinet?)

Beitrag von Insel_Andy »

Hallo zusammen,

ersteinmal danke für die Antworten. Dann liege ich mit meiner Vermutung ja richtig. Grundsätzlich ist es nicht korrekt, den Säuregehalt auf diese Weise zu bestimmen, da er defacto komplett anders sein wird (je nach molarer Masse der vorhandenen Säuren). Da jedoch die Säurekombination unbekannt ist, nimmt man als Referenz die Weinsäure und da man bei den Zielwerten in einem gewissen Korridor landen sollte, passt es geschmacklich wieder (ausreichend) gut...

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Re: Säurebestimmung mittels Titration/Blaulauge (nur für Weinsäure geeinet?)

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Insel_Andy hat geschrieben: 08 Januar 2019 15:09 Grundsätzlich ist es nicht korrekt, den Säuregehalt auf diese Weise zu bestimmen, da er defacto komplett anders sein wird (je nach molarer Masse der vorhandenen Säuren).
ich würde das so nicht formulieren. Der Säuregehalt kann grundsätzlich exakt bestimmt werden in der Einheit "Weinsäureäquivalente". Nennen wir es Bequemlichkeit warum das im täglichen Umgang unter den Tisch fällt ;)
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Re: Säurebestimmung mittels Titration/Blaulauge (nur für Weinsäure geeinet?)

Beitrag von Insel_Andy »

Hallo zusammen,

eine weitere Verständnisfrage dazu. Eine Berechnung mit Weinsäureäquivalenten ist dann für mich wieder logisch - danke für die Erklärung. Wenn ich aber nochmal auf der Hompage schaue, lese ich folgendes:
Dazu ein Beispiel: Sie setzen 10 l Bananenwein an. Bananen haben sehr wenig Säure, deshalb haben Sie nach den Angaben im Rezept Sultaninen dazu gegeben. Trotzdem beträgt der Säuregehalt nur 5 g/l. Um einen Säuregehalt von 7,5 g/l einzustellen, benötigen Sie 7,5-5 g/l, also 2,5 g/l zusätzliche Säure. Bezogen auf die zehn Liter sind das 25 g Säure, dies entspricht einer Zugabe von 25 x 1,25 ml = 31,25 ml 80%iger Milchsäure.
Jedoch hat Milchsäure eine molare Masse von ca. 90 g/mol, wohingegen die Weinsäure 150 g/mol hat.
Bei der Titration werden aber bei der Weinsäure 2 OH- zur Neutralisation benötigt, bei der Milchsäure nur 1...

Wenn ich das nun vergleiche, stehen 90g der MS gegen 150/2 = 75g WS entgegen. Für eine Erhöhung von 1g/L durch Zugabe von 80%iger Milchsäure müsste demnach nicht 1,25 ml (eher Gramm) hinzugegeben werden, sondern 1 */0,8 *75 /90 = 1,04g .. Dei einer Dichte von 1,21g/ml (bei 100% MS) wäre das 0,86ml.

Wenn ich mich nicht täusche, würde man bei der Zugabe und anschließender Titration somit nicht auf seine Zielsäure kommen. Bitte klärt mich auf, falls ich einen Denkfehler habe oder bei den Zahlen etwas vertauscht habe...

VG
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Re: Säurebestimmung mittels Titration/Blaulauge (nur für Weinsäure geeinet?)

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Äh.. nee. Bei der Weinsäure sind es 75 g pro Säuregruppe, bei der Milchsäure 90 g pro Säuregruppe. Heißt also dass 1,2 g reine Milchäure einem Gramm Weinsäure entspricht.

Jetzt kommt das Hauptproblem: Wir wissen nicht genau wie die Milchsäurekonzentration zu verstehen ist (siehe auch viewtopic.php?t=8860#p117684). Offenbar wissen das selbst die Hersteller nicht, denn auf Flaschen mit vermeintlich 80% Milchsäure unterschiedlicher Hersteller finden sich unterschiedliche Angaben, wie viel davon den Säuregehalt um 1 g/l erhöht. Da herrscht also viel Verwirrung.

Die Dichte von 80% Milchsäure beträgt laut Datenblatt 1,19 g/cm3, sprich 1,25 ml haben eine Masse von rund 1,5 g. Ohne exakt zu wissen wie die Lösung angesetzt wurde und ohne lustige physikalische Effekte zu kennen (gibt es da Volumeneffekte?) ist es durchaus plausibel dass diese 1,5 g Lösung rund 1,2 g Milchsäure enthalten. Für den Hobbybereich reicht diese Genauigkeit aus, so genau kannst du mit dem Acidometer eh nicht titrieren ;)
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Re: Säurebestimmung mittels Titration/Blaulauge (nur für Weinsäure geeinet?)

Beitrag von Insel_Andy »

Hallo,

ok, danke für die Klärung. Dann lag ich ja fast richtig. Nur das übliche Zähler vs. Nenner Problem :cry:

Statt 1 */0,8 *75 /90 = 1,04g --> 1 */0,8 *90 /75 = 1,5g
Das ergibt wiederum bei einer Dichte von ca. 1,2g/cm³ die 1,25ml....
Hatte gedacht, die 1,25 kommen stumpf aufgrund der 80% (1/0,8 = 1,25) - ist dann aber zufällig so.

Und lasst mich raten: das ist der Grund, warum man 80%ige MS nimmt, damit man wieder in Weinsäureäquivalenten rechnen kann. Ebenso wie bei der 2/15 N Blaulauge....

So langsam lichtet sich alles :)

VG
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Re: Säurebestimmung mittels Titration/Blaulauge (nur für Weinsäure geeinet?)

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Insel_Andy hat geschrieben: 18 Januar 2019 10:34 Und lasst mich raten: das ist der Grund, warum man 80%ige MS nimmt, damit man wieder in Weinsäureäquivalenten rechnen kann.
ich vermute dass hat andere, pragmatische Gründe: Es wird wirtschaftlich unsinnig sein, die letzten 20% Wasser aufwändig abzutrennen. Das dürfte ähnlich wie bei der Zitronensäure sein: Das Monohydrat ist vergleichsweise billig in der Herstellung, das Anhydrat hingegen ist überproportional teuer.
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