Zunächst einmal danke an Bahnwein, er hat mich auf einen Copy-Paste-Fehler aufmerksam gemacht den ich im vorherigen Post korrigiert habe (zwei identische Werte).
Anonsten habe ich mir Gedanken zur Interpretation zur Daten gemacht. Dazu habe ich eine Tabelle erstellt. Die enthält nicht nur die Werte vom Weinlabor, sondern auch meine Säuremessungen. Speziell bei Ansatz 1A wich mein Wert stark ab von dem des Weinlabors, deshalb habe ich alle vier Weine nochmals durchgemessen. Jetzt sieht das so aus dass ich das glauben kann... keine Ahnung was bei meiner ersten Messung von 1A schief gelaufen war.
Hier also die Tabelle:
In Spalte H finden sich der Polyphenolgehalt, gemessen in % vom höchsten beobachteten Wert (Ansatz 1). Man sieht sehr schön dass die Lagerung im Kühlschrank zu einer Reduktion der Phenole führt; je länger, desto geringer der Wert (Spalte H). Heißt das nun dass der Gerbstoffgehalt in den Schlehen geringer war? Vielleicht, vielleicht auch nicht, vielleicht ein bisschen. Wie oben schon dargestellt habe ich unterschiedliche Flüssigkeitsmengen abgepresst, was zwangsläufig das Ergebnis verfälscht. Bleibt mehr Flüssigkeit im Trester zurück, zu sind alle meine Inhaltsstoffe im auf 10 Liter aufgefüllten Eimer zwangsläufig "verdünnt". Den Pegelstand der Ansätze 2, 3 und 4 nach den Abpressen hatte ich fotografiert, bei allen hatte ich schon etwas Wasser zugegeben, speziell bei Ansatz 1 habe ich das aber verpennt und kenne den Wert nur in etwa. Jetzt könnte ich irgendwie mit diesen Volumina rechnen um abzuschätzen, ob es in den Schlehen zu einem Gerbstoffabbau kam oder nicht. Ich rechne aber lieber schlecht als schlecht zu schätzen.
Zunächst einige Postulate:
- Die Freisetzung von Polyphenolen aus den Früchten ist abhängig von der Zeit, der Temperatur und vom Alkoholgehalt. Da alle Ansätze weitgehend gleich behandelt wurden und rasch angärten hoffe ich, dass sich diese Faktoren bei allen Ansätzen in etwas gleich sind und keinen signifikant unterschiedlichen Einfluss auf die Tanninfreisetzung ausüben.
- Der vom Weinlabor gemessene Gesamtalkoholgehalt (=Summe aus aktuellem Alkoholgehalt plus Alkhoholgehalt bei vollständiger Vergärung des noch vorhandenen Zuckers) des auf 10 Litern aufgefüllten Weins ist ein Maß für die Saftmenge, die ich abpressen konnte, denn ursprünglich enthielten alle Ansätze gleich viel Zucker (möglicher Fehlerquellen wie ungelöster Zucker am Boden sowie Zuckerabbau in den Früchten sind möglich, sollten aber nur zu einem geringen Fehler führen da ich sehr viel Zucker zugegeben hatte).
Wenn das Stimmt habe ich bei Ansatz A am meisten Flüssigkeit abgepresst. Wie hoch wären Säure und Phenolgehalt wenn ich aus allen Ansätzen dieselbe Flüssigkeitsmenge wie bei A hätte abpressen können? Um das abschätzen zu können habe ich den "Korrekturfaktor" in Spalte I eingeführt. Multipliziert mit dem Gesamtalkoholgehalt des jeweiligen Ansatzes komme ich auf den Gesamtalkoholgehalt von Ansatz A. Multipliziere ich nun den gemessenen Phenolgehalt mit dem Korrekturfaktor, so komme ich auf einen auf den auf das Pressvolumen normierten Phenolgehalt in Spalte L. Auch unter Einbezug des Korrekturfaktors haben die Ansätze 2 und 4 noch immer signifikant weniger Phenole.
Was wäre meine take home Message bzw. wie würde ich das interpretieren?
Das Einfrieren der Schlehen scheint überhaupt nichts am Gerbstoffgehalt des Weins zu ändern (vergleiche Ansatz 1 und 3). Dass das Einfrieren der Schelehen den Tanningehalt reduziert hielt ich schon immer für einen Mythos, mit diesen Ergebnissen fühle ich mich bestätigt.
Die Lagerung im Kühlschrank vor der Verarbeitung der Früchte scheint jedoch zu einer Reduktion des Gerbstoffgehalts im Wein zu führen. Dazu trägt einerseits das reduzierte Abpressvolumen bei, aber auch der Gerbstoffgehalt in den Schlehen scheint gesunken zu sein, was in Einklang mit der oben verlinkten Arbeit von Otto und Kooper ist.
So gesehen ist das ein sehr schönes Zwischenergebnis. Wie sich das am Ende geschmacklich auswirkt wissen wir freilich noch nicht. Durch den Pressverlust nach Lagerung dürfte ich auch andere Geschmacksstoffe verloren haben; nur weil die Ansätze 2 und 4 weniger Gerbstoff haben müssen sie also noch lange nicht besser schmecken.
Es gibt noch zwei Punkte, die mich etwas anfressen. Wenn sich in den Früchten im Gefrierschrank nichts tut bezüglich des Gerbstoffgehalts, so sollte sich eigentlich auch der Säuregehalt nicht ändern. Tatsächlich ist der Säuregehalt der Ansätze 1 und 3 aber signifikant verschieden. Warum? Entweder habe ich die Früchte nicht so gut gemischt wie ich geglaubt habe, oder die Säure (vor allem Apfelsäure) wurde in Ansatz 1 abgebaut. War das die Hefe? Immerhin ist der Ansatz eine Woche voraus, und die Hefchen hungern gerade. NIcht dass die (oder sonstwer) sich über die Apfelsäure hergemacht hat. Immerhin: Vergleicht man die korrigierten Säurewerte von 2, 3 und 4, so könnte man einen geringen Säueabbau durch die Lagerung im Kühlschrank erkennen.
Der zweite Punkt ist: Warum ist der Schaum in Ansatz 2 so stabil, warum überhaupt konnte ich bei 2 und 4 nur so wenig Flüssigkeit abpressen? Am Pektin kann es eigentlich nicht liegen: Antigel war in allen Ansätzen, mit Fruchtreife sollte Pektin eher abgebaut werden sodass die Saftausbeute mit Kühlschranklagerung eher höher sein sollte. Für mich sprechen die Schaumstabilität und die Konsistenz der Maische für Proteine oder andere Schleimstoffe. Vielleicht sind dafür gar nicht die Früchte verantwortlich, sondern Keime sie sich unerkannt auf oder in den teilweise schon aufgeplatzten Früchten vermehrt haben, auch wenn die Früchte optisch und vom Geruch her noch in Ordnung waren (siehe Bild oben).
Ja, so ist das. Man macht einen Versuch, man bekommt fast mehr neue Fragen als Antworten, und müsste das alles noch mindestens einmal wiederholen
Jetzt stehe ich vor der nächsten Frage: Wie baue ich die Weine aus? Gebe ich allen dieselbe Zuckermenge dazu, oder strebe ich denselben Endalkoholgehalt an? Dito für die Säure. Ich denke, ich versuche die Ansätze gleich einzustellen. Das Harmoniedreieck wird ja auch durch die Gerbstoffe beeinflusst, aber die Vergleichbarkeit könnte besser sein wenn die anderen Werte alle gleich sind. Wie man es machst, so macht man es falsch
