Zu Wein im Alten Ägypten

Draigyptos
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Zu Wein im Alten Ägypten

Beitrag von Draigyptos »

Hallo ihr Lieben,

ich bin Studentin der Ägyptologie. Bei uns steht demnächst ein Seminar zu experimenteller Archäologie an und meine Aufgabe wird es sein, antik-ägyptischen (Rot-)Wein herzustellen. Ich bin gut informiert und habe auch viel Fachliteratur zu moderner Weinherstellung gelesen, aber trotzdem steh ich vor einigen Problemen und wollte fragen, ob ihr mir vielleicht helfen könnt. (Dabei bitte nicht vergessen: ich habe noch NIE selbst einen ansatz gemacht, geschweige denn Trauben zu was anderem als zum Essen benutzt :) )
Weiterhimn sollte ich anfügen, dass die meisten Ägyptologen nicht den blassesten Schimmer haben, wie das damals funktioniert haben soll, weil es keine Inschriften gibt, sondern nur eine Hand voll Bilder, die immer nur: das Stampfen, Pressen und Abfüllen zeiegen.

1. Da ich keine modernen Hilfsmittel benutzen kann, um nichts an Authentizität zu verlieren, stellt sich mir die Frage, wie man das Eindringen von Sauerstoff in den Gärprozess verhinderte. Gibt es eine Möglichkeit den Gäraufsatz zu ersetzen?

2. Da wir die Trauben tatsächlich mit den Füßen pressen werden, weiß ich nicht recht, was danach passiert: ich würde (in Ermangelung von Tongefäßen) Glasflaschen mit dem erpressten Saft befüllen- ist das in dieser Reihenfolge richtig? Oder muss ich den Most erst mit dem Traubenhäuten gären lassen und dann sieben? Ist es Schlimm dass ich keine dieser speziellen 10 l Gärgefäße habe?

3. ICh habe gelesen, dass Naturhefe den Wein verderben kann, kann aber selbstverständlich keine aus dem Supermarkt mit fertigem Saft verwenden. Der Wein kann schimmeln oder zu Essiglastig werden, richtig? Kann ich das kontrollieren oder verhindern?

4. Wir werden das Mark der Trauben dann natürlich in einem Leinentuch auswringen. Der dabei austretente Saft kommt ebenfalls in die Flaschen, oder? Was ist mit den übrig bleibenden Resten? Werden die weg geschmissen? Ich dachte die für die Gärung wichtigen Hefen wären auf der Haut der Trauben?

ich hoffe ich überfordere euch mit den vielen Fragen nicht gleich. Niemand konnte mir bisher vernünftige Antworten geben und nun zähle ich auf euch Fachmänner- und frauen. BItte nehmt mir meinen Wissenstand nicht übel- aber alle Beiträge hier im Forum steigern meine Verwirrung nur noch (zumal ich mit vielen Begriffen nicht richtig umgehen kann, die ihr hier benutzt)

liebe grüße, Draigyptos

[Dieser Beitrag wurde am 03.07.2012 - 17:22 von Draigyptos aktualisiert]
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fibroin
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Zu Wein im Alten Ägypten

Beitrag von fibroin »

Hallo Draigyptos,
willkommen im Forum. Überfordert sind wir hier weniger beim Weinmachen, als Weinmachen unter antiken Bedingungen.
So habe ich Wein gemacht:
Forum-Link … 758-0.html
Nur, das hilft wenig, wenn man nicht weiss, welche Geräte es gegeben hat, die ähnlich arbeiten.
Vielleicht der Reihe nach:
Auspressen mit den Füßen ist ok. Dann die Masse in das Gärfass. Wie auch immer. Lederbeutel, Tonkrug, ...
Bei der Hefe muss man sich auf die spontane Vergärung verlassen. Die Hefen auf den Schalen werdens richten. Oder nicht. Das werden unsere Urahnen auch getan haben.
Gärverschluss, weiss ich nicht.
Es gibt Tonkrüge, wo der Deckel in einem Kranz von Wasser liegt und das innere abdichtet. Gab das bin Ägypten?
Wein abpressen und das gepresste verwerfen, wenn das damals nicht noch genutzt wurde? (Jedenfalls wurde kein Grappa draus gebrannt)
Wenn es nicht mehr gärt, abfüllen. In Tonkrüge, Schweineblasen oder Därme, was auch immer.
Der Wein wird trocken schmecken, aber es kann je nach Traubensorte und -reife auch was werden.

Ob dir das hilft?
Wenn du dich wohlfühlst, mache dir keine Sorgen. Das geht wieder vorbei.
Draigyptos
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Zu Wein im Alten Ägypten

Beitrag von Draigyptos »

Ja das hat schon geholfen. Vor allem das mit dem Wasserverschluss ist klasse.

Aber vielleicht kannst du mir nochmal zum Ablauf genaueres sagen: wir pressen mit den füßen in einem Plastikbottich. lässt man das gleich ablaufen oder muss man das mit den zerquetschten schalen in dem bottich gären lassen? oder muss ich das umfüllen?

geräte gab es keine im alten ägypten. ich schicke hier einfach mal die bilder die wir haben, so grob sind es immer diese darstellungen:



Draigyptos
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Zu Wein im Alten Ägypten

Beitrag von Draigyptos »

achja und fibroin: 2 weitere fragen:

1. würdest du empfehlen honig oder feigen vor dem gärungsprozess hinzuzufügen um die süße und den geschmack zu verändern?
2. dürfte ich die bilder aus deinem beitrag vielleicht in meiner erklärung was zu tun ist, also für die anderen studenten, zeigen?
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fibroin
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Zu Wein im Alten Ägypten

Beitrag von fibroin »

Leider sind die Bilder nicht sichtbar. Überprüf das mal.
Bei Rotwein werden die Schalen mitvergoren, damit die Farbe der Schalen extrahiert werden. Aber das ist eine Technik aus Frankreich. Was man im alten Ägypten gemacht hat, ist mir unbekannt.
Allerdings, mit Schalen gärt die ganze Sache besser. Allerdings sollten die Schalen nur bis zwei Wochen drin bleiben. Dann abpressen und noch etwas vergären.

Ja, Zugabe von Honig oder Feigen zu Beginn macht den Wein nicht süsser, sondern erhöht den Alkohol.
Eine Zugabe später erhöht die Gefahr eine Nachgärung. Wie man das Problem in der Antike gelöst hat, das würde mich auch interessieren, es ist jedenfalls kein einfaches. Wir hier im Forum quälen uns auch damit ab. Unsere Lösungen sind wohl im Altertum nicht praktikabel gewesen.

Du kannst die Bilder brauchen, gib nur die Quelle an.
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Fruchtweinkeller
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Zu Wein im Alten Ägypten

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Auf die Schnelle: Literaturempfehlungen, vielleicht hilfreich

WINE: From Neolithic Times to the 21st Century (Stefan K. Estreicher)

Die Anfaenge alkoholischer Getraenke-Bier, Wein und Alkohol im Spiegel der Geschichte (Klaus Volke)

Der damalige Stoff dürfte weniger Zucker enthalten haben und war wohl ausgegoren. Und nach heutigem Maßstab vermutlich recht mies :) Man hat sich allerlei einfallen lassen, die Römer haben bspw Most in bleihaltigen Gefäßen eingekocht und diesen dann dem Wein zugegeben. So war das Gebräu süß und giftig ?-|

[Dieser Beitrag wurde am 03.07.2012 - 22:42 von Fruchtweinkeller aktualisiert]
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Draigyptos
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Zu Wein im Alten Ägypten

Beitrag von Draigyptos »

was genau heißt "ausgegoren"?

ich bin immer noch nicht ganz sicher, ob ich die zertretenen trauben in ihrem saft in dem bottich gären lassen soll oder die flüssigkeit abfange und nur diesen saft gären lasse.
und für jeden tipp, wie man einen gäraufsatz selbst machen kann, bin ich ebenfalls dankbar. :)

@ fruchtweinkeller: danke für die literaturhinweise!
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Zu Wein im Alten Ägypten

Beitrag von KommandeurMumm »

Hallo Draigyptos.

"Ausgegoren" heißt, dass der ganze Zucker im Ansatz von den Hefen umgewandelt wurde, in Alkohol und Kohlendioxid. Was FWK meint ist, dass die Weine vermutlich absolut trocken waren. Denn wenn keine Nahrung für die Hefen mehr im späteren Krug ist, dann kann er auch nicht platzen, weil es plötzlich wieder zu gären anfängt.
Draigyptos hat geschrieben:ich bin immer noch nicht ganz sicher, ob ich die zertretenen trauben in ihrem saft in dem bottich gären lassen soll oder die flüssigkeit abfange und nur diesen saft gären lasse.
Mh, das ist wohl in erster Linie eine historische Frage. Ist aus den Abbildungen nicht ersichtlich, wie die alten Ägypter das gemacht haben?
Heute würdest du den ganzen "Traubenmatsch" vergären und ich würde fast wetten, dass das die antiken Ägypter auch gemacht haben. Man konnte ja auch früher beides recht einfach ausprobieren und bei einer wilden Gärung (also mit den Hefen, die das Obst schon mitbringt), ist es sicher nicht verkehrt, mit der Maische (dem Fruchtmatsch) auch mehr Hefen im Ansatz zu belassen.

Was einen Gärverschluss angeht: da wurde vielleicht getrickst. AUch früher wird man früh gemerkt haben, dass man Luft fernhalten muss, ob aber schon ein Verschluss bekannt war, wo das Gas durch ein Wasserbad austreten, aber keine Luft eintreten kann, das glaube ich irgendwie nicht. Auch wenn ich den Altvorderen viel zutraue! Vielleicht wurden die Behälter (was mag man damals überhaupt für diese Mengen benutzt haben?) damals auch einfach verschlossen und mehrmals am Tag geöffnet, um den Druck abzulassen?
Als Verschlüsse sind mir von damals allgemein nur Wachs und Tuch bekannt, aber da wirst du dich besser auskennen...

Edith war auch nach vier Versuchen mit manchen Formulierungen noch nicht zufrieden :!:

[Dieser Beitrag wurde am 04.07.2012 - 10:44 von KommandeurMumm aktualisiert]
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Zu Wein im Alten Ägypten

Beitrag von Pantscher »

Ich denk mann muss nicht immer verschließen. Ich mein ne öffene Gärung gibts ja heute immer noch. Und bei nem Gefäß das groß genug ist treibt das CO2 schon alles raus...
Ich habmal Wein angesetzt, vor Jahren. War mein erster, und eher spontan ohne Vorbereitung. Zwei große Töpfe mit Traubenmatsch gemacht und ein Fläschen Flüssighefe dazugegeben. Nach paar Stunden ging das ab wie eine Rakete. Da hats den Deckel gehoben. Und von der Reinzuchthefe war das ziemlich sicher nicht. Auf den Punkt gebracht. Ich denke Trauben gären spontan ganz gut...
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Beitrag von Draigyptos »

scheinbar haben die ägypter den saft nicht als maische gären lassen.

upload.wikimedia.org/wikipedia/c … _of_Nakht_(13).jpg/230px-Tomb_of_Nakht_(13).jpg

die darstellungen zeigen immer dasselbe.
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JasonOgg
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Zu Wein im Alten Ägypten

Beitrag von JasonOgg »

Alle Nicht-Ägyptologen dürfen mal in die Wikipedia schauen, da sind Bilder zu den erwähnten Tätigkeiten und Zubehör zur Anschauung.

Folgt man den Links, dann hat man ein Bild (nicht das erste), welches anscheinend das Abpressen darstellt.

Was hier jemand aufgelistet hat kann ich mir nicht direkt vorstellen, bis auf die Essiggewinnung ;)

Natürlich darf das Grab des Weinliebhabers nicht fehlen :D

Ein Bewertung der Authenzität und der Deutung der genannten Links überlasse ich Hobby-Ägyptologe lieber den studierten Profis wie DrÄgyptus und bleibe bekennender Ägypten-Fan und Tourist.

Edit sagt, ich war wohl zu langsam ;)
Dein Bilderlink will nicht, aber so geht es:

[Dieser Beitrag wurde am 04.07.2012 - 18:27 von JasonOgg aktualisiert]
„DENK DARÜBER NICHT ALS STERBEN", sagte der Tod.
„DENK EINFACH DARAN, DASS DU FRÜHER GEHST, UM DEM ANSTURM AUSZUWEICHEN.“

Sir Terry Pratchett 1948-2015
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fibroin
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Beitrag von fibroin »



Das wäre das Bild.
So kann man es definieren:
In der Kelter werden die Trauben getreten und der Saft scheint durch die Röhre in die Krüge gefüllt zu werden. Wie auch immer die Schwerkraft überwunden wird. (Gab es in Ägypten Pumpen?) Dort entsteht durch Vergärung der Wein.
In den Krugköpfen könnten die Deckel mit der Wasserdichtung stecken. 8-)
Wenn du dich wohlfühlst, mache dir keine Sorgen. Das geht wieder vorbei.
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