fragen zur spontanen gärung

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Catwiesel
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fragen zur spontanen gärung

Beitrag von Catwiesel »

Hallo,

hab nun paar mal hier im Forum von einigen Leuten über ihre spontane gärung (also ohne zugabe von reinzuchthefen) gelesen. persönlich werd ich in meine ansätze weiterhin reinzucht verwenden, neulich musste ich aber entscheiden eine spontangärung im (ich glaub johannis) beersaft (erstaunlicherweise eher sirup) den meine oma neulich einkochte aufzuheben oder wegzukippen.

Gibt ja leute die vor allem traubenwein und most ohne reinzuchthefe machen wie früher und die hefen auf den früchten ausnützen.
aber einige sachen wundern mich etwas. ist da nich mit gleich grosser wahrscheinlichkeit andere hefen mit drauf?
und wenn man eine gärung bekommt und keinen essig oder schimmel, woran weiss man denn dass die hefe etwas leckeres gemacht hat und nicht etwas giftiges? probieren die leute das? letzlich wissen was da welche hefe fabriziert lässt sich doch nur mit aufwendigen/teuren methoden feststellen, das muss doch gefährlich sein ?!

die flasche unseren saftes hab ich übrigens weg geleert und schleunigst meiner oma bescheid gesagt, nich dass ihr flaschen um die ohren fliegen.

gruss

Catwiesel
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Birgit
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fragen zur spontanen gärung

Beitrag von Birgit »

Nun, das ist ein großes Glücksspiel. Auf Trauben und Äpfel leben sehr viele Weinhefen und das kann zu positiven Ergebnissen führen, muß aber nicht. Auf anderen Früchten sieht es mit Weinhefen sehr schlecht aus. Aber wie auch immer, spontane Gärungen führen zu mehr Gärungsnebenprodukten wie Methanol, Essigsäure, Essigsäureethylester und höherkettige Alkohole, die den "Kopfschmerz danach" verursachen können. Das hat unter anderem den schlechten Ruf der Hausweine begründet.

Ansonsten schau mal ins Kapitel Hefe, da steht noch einiges dazu ;)

Gruß Birgit
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Beitrag von Fruchtweinkeller »

Da muß ich mal ein bisserl weiter ausholen. Die Infos auf der Homepage sind nämlich eigentlich nicht mehr aktuell.

Bei spontanen Gärungen findet man im Ansatz zu Beginn der Gärung so gut wie keine S. cerevisiae-Stämme. Da tummeln sich allerlei andere Hefen die viele Gärungsnebenprodukte bilden. Das hat Vor- und Nachteile: Diese Nebenprodukte fungieren oft als Aromastoffe. Viele Vinzer empfinden solche Weine deshalb geschmacklich als "komplexer" in der Struktur. Wenn jedoch ein Übermaß dieser Stoffe entsteht, und das ist das Glückspiel, können manche dieser Stoffe andererseits schnell als Fehlton empfunden werden. Der Wein kann z.B. fuselig, scharf oder nach Lösungsmitteln riechen, er kann auch zum Kopfschmerzstoff werden.

Das ist das Glückspiel von dem Birgit sprach: Die alkoholtoleranten S.c.-Stämme überwachsen die "wilden" Hefen bei steigendem Alkoholgehalt. Damit die wilde Gärung nicht aus dem Ruder läuft muß eine gewisse Anzahl S.c.-Zellen von Beginn an vorhanden sein.

Nun ist die Frage woher diese S.c.-Stämme überhaupt stammen. Die gängige Theorie geht davon aus das die gewünschten Hefen auf den Trauben sitzten. Nun gibt es wissenschaftliche Veröffentlichungen laut denen das überhaupt nicht der Fall ist: Die Leute können Sc auf den Trauben praktisch nicht nachweisen. Man geht vielmehr davon aus das die alkoholtoleranten Sc-Stämme eine in Weinkellereien seit jahrtausenden "domestizierte" Form von Hefen sind die in der Natur eigentlich so nicht vorkommt bzw., wenn man sie in der Natur findet, dorthin verbracht wurde. Tatsächlich gibt es Veröffentlichungen die zeigen das sich bei spontanen Gärungen am Schluß S.c.-Arten durchsetzten die man auf den Oberflächen in der Kellerei nachweisen kann.

Damit hat der Hobbywinzer natürlich ein arges Problem wenn er in der sauberen Küche arbeitet. Von den Früchten kann man keine "guten" Sc-Stämme für die Vergärung erwarten.

Bei den käuflichen Weinhefen wird in den nächsten Jahren sicherlich der Trend zu Mischkulturen gehen. Dann werden alkoholtolerante Sc-Arten mit anderen Hefen gezielt vermischt um die so genannte "Komplexität" einer wilden Gärung zu erreichen.

Ich persönlich denke das man das bei vielen Fruchtweinen gar nicht braucht. Viele Früchte liefern einen derart fruchtigen und intensiven Geschmack, da braucht man so einen Schnickschnack nicht :D

So, die Neuigkeit der Woche wäre damit abgearbeitet ?-|
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Catwiesel
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Beitrag von Catwiesel »

hui,

das is ja interessant. aber alles in allem halt dennoch ein glückspiel deren ergebnis man erst sieht wenn alles zupät ist oder? :)
Ich bin froh dass wir reinzuchthefen haben und verwenden können!

erstaunlich auch dass die guten "weinhefen" unter
umständen durch die alkoholproduktion der menschen erst entstanden sind.
Chef hat geschrieben:Bei den käuflichen Weinhefen wird in den nächsten Jahren sicherlich der Trend zu Mischkulturen gehen. Dann werden alkoholtolerante Sc-Arten mit anderen Hefen gezielt vermischt um die so genannte "Komplexität" einer wilden Gärung zu erreichen.
hm, wer meint es zu brauchen. solang es preislich ok bzw unsere normalen hefen noch im handel bleiben können wir alle doch nur froh sein, ob man sowas braucht oder nich :)

Hach da tun sich zig Fragen auf in meinem Kopf aber ich denk das lass ich mal. Hat nicht wirklich was mit Weinmachen zu tun und das hier ist ja keine Microbiologie Geschichtstunde :)

gruss

möge die richtige hefe mit euch sein :)

Catwiesel

[Dieser Beitrag wurde am 22.08.2006 - 15:01 von Catwiesel aktualisiert]
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Beitrag von Fruchtweinkeller »

Um diesen Uralt-Thread neues Leben einzuhauchen: Ich hatte oben ja schon den Trend zur "Hefemischkultur" erwähnt. Gerade stieß ich über die Beschreibung der neuen "Alchemy"-Mischhefen von Anchor, die ich noch nicht kenne:

www.c-schliessmann.de/deutsch/Fu … _Hefen.htm

Interessant ist hier der Hinweis auf den "Killer"-Phänotyp: Einige der eingesetzten Hefen sind Killer-positiv, andere nicht. Die Folge: In einem komplexen Zusammenspiel aus den Alkoholtoleranzen und des Killer-Phänotyps wird sich die Hefepopulation eines solchen Gemischs im Laufe der Gärung drastisch verändern. Was zur Folge hat dass es keinen Sinn macht, von solchen Mischkulturen einen Gärstarter anzusetzen. Die Hefen können auch nicht zu Hause vermehrt und anschließend gelagert werden ohne dass man die Eigenschaften des Gemischs verändert. Das ist sicherlich ein netter Nebeneffekt für den Hersteller: Diese Trockenhefe muss tatsächlich immer frisch gekauft werden :shock:
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Beitrag von sigi »

Sehr interessant zum Thema Spontangärung bei Traubenwein.
Mit netten Schimmelbildern... 8-)

www.landwirtschaft-mlr.baden-wue … gärung.pdf


Gruss... Sigi
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Beitrag von JasonOgg »

Auch wenn ich persönlich an dieser Stelle kein Problem habe, ich kaufe sowieso immer frisch bei meinen kleinen Mengen. Aber wenn jemand statt in Litern mit Hektolitern rechnet und etwas mehr braucht, Sigis spannenden Artikel liest und auf Spontangärung umsteigen will ...
FWK hat geschrieben:Diese Trockenhefe muss tatsächlich immer frisch gekauft werden
Das ist doch der Traum der Hersteller, ohne Verschleiß kein Preis.
Bei Saatgut gibt es schließlich auch Hybriden und die Gentechnik-Industrie holt auch regelmäßig wieder den Terminator aus dem Hut.
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Josef
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Beitrag von Josef »

Interessanter Artikel! :shock:
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Beitrag von Fruchtweinkeller »

Interessant dass es bei allen spontanen Gärungen zu einer BSA kam. Das kann beim Hobbywinzer, wenn man sie nicht rechtzeitig stoppt, ganz schön nach hinten losgehen...
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fragen zur spontanen gärung

Beitrag von JasonOgg »

Sehr eindeutig fand ich die Aussage über die zum Zuge kommenden Hefen:
Sigis Artikel hat geschrieben:Es ist wenig wahrscheinlich, dass Hefen, die auf Trauben überleben können, auch gute Gärhefen sind. Die Selektion der Hefen im
Weinberg ist geprägt durch Umweltbedingungen
... und nicht Geschmack, Gärend- bzw. Nebenprodukte, etc. Und wie später im Artikel steht haben Weinhefen auch andere Umweltbedingungen. Eigentlich alles logisch und einleuchtend.

Weiter steht auch:
Artikel hat geschrieben:Fasst man die Argumente zusammen, so erkennt man, dass man bei keiner Spontangärung eine klare Vorstellung von der Hefezusammensetzung zu Beginn haben kann
Auch für den Geschmack gibt es keine Vorhersage. Eine ständige Kontrolle ist notwendig, damit man sofort eingreifen kann, wenn etwas aus dem Ruder läuft und und und.
Bevor ich irgendwelche Prozesse in Gang setze die ich nicht kontrollieren kann (andere vielleicht), investiere ich lieber in Hefe aus der Züchterei.

Für mich lieber Andreas Kranz als Rainer Zufall.

[nicht-ernst-gemeint-Modus]
Aber vielleicht ist ja mein Keller oder Badezimmer schon ausreichend Portwein oder Burgund verseucht :!:
[/nicht-ernst-gemeint-Modus]
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Beitrag von sigi »

Beim Kniefall Füsseküssen nicht vergessen... :D


Glücklicherweise gibt es noch - und zunehmend - Winzer...auch Hobbywinzer
mit Wissen um andere Wege und mit Mut zu Experimenten... 8-)

Amüsierte... :-x ...Grüsse...Sigi
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Beitrag von JasonOgg »

Sigi, Du hast das ganz richtig gesagt: Wissen und Mut.
Ohne das Wissen wird das zweite zu Übermut. Wenn es dem Esel zu wohl ist, geht er auf's Eis tanzen.

Wenn man nicht Most oder Wein in der Muttermilch hatte, dann muss das Wissen wo anders herkommen. Die geballte Ladung des Fruchtweinkellers erleichtert das ungemein, daher ...

:P :P . . :P :P Für jeden Fuß einen 8-)
:P und einen für das Forum an sich.



PS: Bevor jemand von den vier :P auf einen Vierfüßer schließt, es gibt schließlich H+F WK
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